Nikita Sergejewitsch Chruschtschow

Nikita Sergejewitsch Chruschtschow, geboren am 3.jul. / 15. April 1894greg. in Kalinowka, Ujesd Dmitrijew, Gouvernement Kursk, Russisches Kaiserreich, heute Oblast Kursk, Russland; gestorben am 11. September 1971 in Moskau) war ein sowjetischer Politiker und von 1953 bis 1964 als Erster Sekretär der KPdSU der mächtigste Politiker der Sowjetunion.

Nikita Chruschtschow
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Nikita Chruschtschow stammte aus einer westrussischen Bauernfamilie, die 1908 in das Donezbecken in der Ukraine übersiedelte, seinerzeit das wichtigste Steinkohlen- und Industriegebiet des Russischen Reichs. Er absolvierte eine Lehre zum Maschinenschlosser und arbeitete dann im selben Bergwerk wie sein Vater. Er schloss sich der Gewerkschaft der Bergleute an. In der Bergbaustadt Jusowka (zwischen 1924 und 1961 Stalino, seitdem Donezk) lernte er bereits Lasar Kaganowitsch kennen, der ihn in späteren Jahren förderte und mit dem er im Politbüro lange Jahre zusammenarbeitete, bevor beide Männer zu innerparteilichen Gegnern wurden. 1918 trat er in die Kommunistische Partei sowie in die Rote Armee ein und nahm als Freiwilliger am Bürgerkrieg teil.

Am Ende des Bürgerkriegs 1921 fiel seine erste Frau Galina Chruschtschowa der Hungersnot in Sowjetrussland zum Opfer. Der junge Witwer musste fortan allein den Sohn Leonid und die Tochter Julia versorgen. Chruschtschow absolvierte ab 1922 eine Ausbildung an der Arbeiterfakultät von Jusowka, leistete Parteiarbeit unter den Studenten und führte 1922 eine kurze Ehe mit Marussia Chruschtschowa, die im selben Jahr geschieden wurde. Hier lernte er auch Nina Petrowna Kuchartschuk kennen, die er 1924 in dritter Ehe heiratete.

1925 ernannte man ihn zum Parteisekretär des Bezirks Petrowo-Marinsk bei Stalino in der Ukrainischen SSR. 1925 nahm er am XIV. Parteitag der KPdSU teil, wo er erstmals Josef Stalin persönlich begegnete. Auf dem XV. Parteitag 1927 erlebte er die Niederlage der linken Opposition (etwa Leo Trotzki, Grigori Jewsejewitsch Sinowjew). Er machte sich als Stalin-Anhänger bemerkbar. Als solcher wurde Chruschtschow in den Parteiapparat der Ukraine befördert, in die damalige Hauptstadt Charkow, später nach Kiew. 1929 nutzte er eine Chance zur Weiterbildung und besuchte die Industrieakademie in Moskau, zu der pro Jahr nur wenige hundert Parteifunktionäre auf Empfehlung zugelassen wurden. Auch hier übernahm er wieder Parteiarbeit. Außerdem lernte er Stalins Frau Nadeschda Allilujewa kennen († 1932). Dadurch wurde auch Stalin auf ihn aufmerksam. Nadeschda, die sich sehr gut mit Chruschtschow verstand, erwähnte ihn Stalin gegenüber jahrelang immer wieder positiv. Dies wurde Chruschtschow bewusst, als er in späteren Jahren oft zu Gast am Tisch Stalins war. Er nannte Nadeschda sein „Lotterielos“, denn ihretwegen habe Stalin ihm vertraut. (Na, da hatte sich Chruschtschow bei Stalin „eingeschleimert“.)

Nicht zuletzt durch dessen Wohlwollen wurde er 1931 Parteichef des Industriebezirks Krasnaja Presnja, eines der wichtigsten Parteibezirke Moskaus. Sein Aufstieg in Moskau erfolgte schnell. Schon 1932 wurde er Zweiter Sekretär des Stadtparteikomitees, 1933 Chef des Moskauer Gebietsparteikomitees.

1934 wurde er auf dem XVII. Parteitag ins Zentralkomitee (ZK) der KPdSU gewählt, dessen Mitglied er bis 1966 war. Ab 1935 war er für die Neubauten in Moskau verantwortlich, darunter auch der Bau der Moskauer Metro, wofür er seinen ersten Lenin-Orden erhielt.

 

Lenin-Orden
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Von 1938 bis 1939 wurde Chruschtschow an Stelle von Pawel Postyschew (1939 erschossen) Kandidat des Politbüros der KPdSU. 1939 stieg er als Vollmitglied in das höchste politische Gremium der UdSSR auf. Vom 22. März 1939 bis 14. Oktober 1964 war er Mitglied im Politbüro der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU).

Chruschtschow löste Stanislaw Kossior, der 1939 erschossen worden war, als Parteichef der Ukraine ab. Mit knapp einjähriger Unterbrechung (1947) leitete Chruschtschow von 1938 bis 1949 als Erster Sekretär die ukrainische Parteiorganisation. Ebenso wie alle anderen überlebenden Politbüromitglieder hatte er Stalin beim „aufräumen“ unterstützt. (Später hatte er sich umgedreht und Stalin verdammt.) 1939/40 überwachte er die Eingliederung bislang polnischer Gebiete als West-Ukraine in die UdSSR, nachdem die Rote Armee gemäß den Abmachungen des Hitler-Stalin-Pakts im September 1939 die sowjetisch-polnische Grenze überschritten hatte.

Im Zweiten Weltkrieg war Chruschtschow im Rang eines Generalleutnants aktiv, zunächst als Mitglied des Militärrates bei Marschall Budjonny und danach bei Marschall Timoschenko. Hier musste er die verheerenden Niederlagen gegenüber Stalin vertreten. Verantwortlich war er außerdem für den Abtransport des industriellen und landwirtschaftlichen Maschinenparks der Ukraine und für die Organisation des Partisanenkampfs in der Ukraine. Ansonsten war er Bindeglied zwischen dem Politbüro und verschiedenen Fronten im Südwesten. Als Frontkommissar war er bei den Stalingradkämpfen 1942 und 1943 bei Generaloberst Jerjomenko und sodann erfolgreich an der Schlacht bei Kursk (unter Marschall Rokossowski) tätig. Sein Sohn Leonid wurde 1943 als Pilot einer Jakowlew Jak-7 abgeschossen und getötet.

Nach Kriegsende war Chruschtschow verantwortlich für den Wiederaufbau der Ukraine, die Bekämpfung des Hungers und den fortdauernden Kampf gegen ukrainische Nationalisten der OUN-UPA. Die Zuspitzung der Hungersnot führte 1946 zur vorübergehenden Schwächung seiner politischen Position, so dass Lasar Kaganowitsch bis Jahresende 1947 die Funktion des Ersten Sekretärs des ZK der Ukraine übertragen wurde.

Vom 16. Dezember 1949 bis zum 7. September 1953 war Chruschtschow Sekretär des Zentralkomitees der KPdSU und führte dort ab 1950 das Landwirtschaftsressort. Seine Wahlrede vom 7. März 1950 leitete eine großangelegte Kampagne zur Zusammenlegung von Kolchosen ein. Von 1949 bis 1953 war er auch Erster Sekretär der Parteiorganisation des Gebietes von Moskau (Obkomsekretär). Auf dem XIX. Parteitag der KPdSU 1952 spielte er auf Geheiß Stalins eine prominente Rolle: Er hielt das Referat über die bedeutsamen Abänderungen am Parteistatut. Der engere Führungskreis umfasste nach um 1948 neben Stalin nur noch Malenkow, Beria, Chruschtschow und Bulganin.

24 Stunden nach dem Tod Stalins am 5. März 1953 wurde eine Reihe von Veränderungen bekanntgegeben: Das seit 1952 „Präsidium“ genannte Politbüro wurde von 25 auf 10 Vollmitglieder und die Anzahl der Kandidaten von 11 auf 4 reduziert. Damit hatte die Führung den alten Zustand vor der Vergrößerung des Gremiums durch Stalin wiederhergestellt und potenzielle Nachrücker kaltgestellt. Die Rangliste führte Georgi Malenkow an (Chruschtschow war Nummer 5), der damit als Erster Parteisekretär kurzzeitig Parteichef war und gleichzeitig Stalin im Amt des Ministerpräsidenten beerbte. Erster Stellvertreter und eigentlicher starker Mann war zunächst der Geheimdienstchef Lawrenti Beria. Das Sekretariat des ZK wurde von sechs auf drei Mitglieder verkleinert, bestehend aus Chruschtschow, Michael Suslow und Pjotr Pospelow. Am 26. Juni 1953 wurde der von allen Politbüromitgliedern gefürchtete Innenminister und Geheimdienstchef Beria handstreichartig verhaftet (Chruschtschow hatte zuvor geschickt gegen Beria intrigiert) und wegen antisowjetischer Verschwörung am 23. Dezember 1953 zum Tode verurteilt und am gleichen Tag zusammen mit anderen führenden Geheimdienstlern erschossen. Chruschtschow, nunmehr dienstältester Sekretär, erreichte im Rahmen einer von den Politgrößen angestrebten „kollektiven Führung“, dass die führenden Ämter Erster Sekretär und Regierungschef getrennt wurden und damit Malenkow Macht abgeben musste. Chruschtschow wurde am 7. September 1953 offiziell zum neuen Ersten Sekretär des ZK gewählt; Malenkow blieb Ministerpräsident. Bis zur scharfen Kritik an Malenkow auf einem ZK-Plenum 1955 wetteiferten Malenkow und Chruschtschow in der Folgezeit – allen Beteuerungen über den Wert einer „kollektiven Führung“ zum Trotz – miteinander um die Spitzenposition unter den sowjetischen Politikern.

Chruschtschow auf dem V. Parteitag der SED in der Werner-Seelenbinder-Halle in Berlin/DDR 1958
Bildquelle: Von Bundesarchiv, Bild 183-57000-0139 / Horst Sturm / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5354989

Am 25. Februar 1956 hielt Chruschtschow die sogenannte Geheimrede „Über den Personenkult und seine Folgen“ auf dem XX. Parteitag der KPdSU . Seither ist Stalin verdammt worden. An die hervorragenden Leistungen Stalins durfte nicht mehr erinnert werden. Die Verdammung Stalins setzt sich bis heute fort, auch in kommunistischen Parteien. Das erschwert die Analyse der Niederlage.

Die sowjetische Führung leitete in der Folge eine grundlegende Wende in der Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik ein, die als „Entstalinisierung“ bekannt wurde. Es entwickelte sich die „Tauwetter-Periode“ (Der Vorläufer der späteren sozialdemokratischen „Entspannungspolitik“): Sowohl innen- als auch außenpolitisch kehrte eine gewisse „Entspannung“ ein. Chruschtschow ließ zahlreiche Straflager (Gulag) öffnen und unschuldig Inhaftierte entlassen. (Siehe oben, Chruschtschow war seinerzeit für die Inhaftierungen mit verantwortlich, die er dann Stalin als Willkür anlastete.) Ganze Bevölkerungsteile wurden rehabilitiert. Allerdings setzte die „Entstalinisierung“ auch politische Entwicklungen in Gang, die den Weg der Konterrevolution einschlugen. In Polen und Ungarn wurden die konsequenten Parteiführer gestürzt. In Ungarn kam bereits 1953 der liberale Imre Nagy an die Macht, in Polen 1956 Władysław Gomułka. Nagy wurde 1955 wieder fallengelassen und sein Vorgänger Rákosi erneut ins Amt gehoben.

Die versuchte Konterrevolution im Herbst 1956 in Ungarn hob Nagy Ende Oktober auf den Posten des Ministerpräsidenten. Chruschtschow kam nicht umhin die versuchte Konterrevolution niederzuschlagen. NagyPál Maléter und viele andere wurden 1958 hingerichtet. Die zunehmende Liberalisierung und die Tendenz zur Konterrevolution in einigen sozialistischen Staaten versetzte die Konsequenten in der sowjetischen Führung zunehmend in Sorge, dass die „Entstalinisierung“ außer Kontrolle geraten könnte.

1957 versuchte eine Mehrheit (sieben zu vier) der Politbüromitglieder, nämlich Malenkow, MolotowWoroschilowKaganowitschSaburowPerwuchin und Bulganin, Chruschtschow zu stürzen. Man warf ihm die Abkehr vom „Stalinismus(ein antikommunistischer Kampfbegriff) vor und fürchtete seine wachsende Übermacht. Chruschtschow jedoch blieb kaltblütig und berief sofort mit Hilfe des ihn unterstützenden Militärs unter Marschall Schukow das Zentralkomitee der Partei ein. Die Mehrheit im Zentralkomitee unterstützte Chruschtschow. Damit war der Machtkampf entschieden. Malenkow, Molotow, Kaganowitsch und Saburow wurden aus dem Politbüro abgewählt, Perwuchin zum Kandidaten des Politbüros zurückgestuft. Malenkow wurde als Leiter eines Kraftwerks in Kasachstan, Molotow als Botschafter in der Mongolischen Volksrepublik kaltgestellt. Bulganin blieb noch ein Jahr lang Ministerpräsident, bis am 27. März 1958 Chruschtschow auch diesen Posten übernahm. Woroschilow blieb bis 1960 Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets (sein Nachfolger wurde Breschnew). Die Stellung des Zentralkomitees als kontrollierendes und oberstes Parteigremium zwischen Parteitagen festigte sich durch diesen Vorgang einige Jahre lang.

Am 27. März 1958 wurde Chruschtschow als Nachfolger von Bulganin Vorsitzender des Ministerrates und vereinte damit wieder (wie zuvor Stalin von Mai 1941 bis zu seinem Tod im März 1953) das höchste Parteiamt und das Amt des Regierungschefs in einer Person. Im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten vertrat er das Prinzip der „friedlichen Koexistenz“ der Systeme und verkündete das Ziel, den Kapitalismus vor allem auf wirtschaftlicher Ebene zu besiegen („einholen und überholen“, Systemkonkurrenz) (verspottet als „überholen ohne einzuholen“). Solche Ankündigungen erregten im Westen viel Aufmerksamkeit, zumal die Sowjetunion Ende der 1950er Jahre hervorragende Ernte-Ergebnisse melden konnte und bereits 1957 den ersten Satelliten in die Erdumlaufbahn geschossen hatte (Sputnik). Doch es hat sich gezeigt, dass dieses Ziel völlig unrealistisch war.

Chruschtschow initiierte eine bis dahin beispiellose Zahl an Reformen in der Sowjetunion, unter anderem in der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, in Bildung und Kultur und wurde damit zu einem frühen Vorläufer Gorbatschows. („Reform“ bedeutet heutzutage etwas Negatives, was damals begann. Unter Chruschtschow begann der Weg ins Aus. Ein früher Vorläufer Gorbatschows? Wir wissen heute, dass Gorbatschow den Weg zur Rückkehr des Kapitalismus geebnet hat.) Andererseits glaubte er fest an die Überlegenheit des sowjetischen Systems und achtete strikt darauf, dass seine Reformen die sowjetische Grundordnung nicht antasteten. Zudem agierte er häufig mit großer Ungeduld, wartete die Wirkung seiner Reformen nicht ab und änderte bereits getroffene Maßnahmen, wenn sie nicht den gewünschten schnellen Erfolg brachten. Auf lange Sicht erzeugte er damit Unruhe und Unzufriedenheit in der Partei bis hin zu Reformüberdruss.

Vom 15. bis zum 27. September 1959 besuchte Chruschtschow auf Einladung Dwight D. Eisenhowers als erster sowjetischer Regierungschef die USA (vorausgegangen war am 24. Juli 1959 die sogenannte Küchendebatte mit dem Vizepräsidenten Richard Nixon).

Nach dem Abschuss eines US-Spionageflugzeugs vom Typ Lockheed U-2 über sowjetischem Territorium und der Gefangennahme des Piloten Powers im Mai 1960 versuchte Chruschtschow auf der 15. Generalversammlung der Vereinten Nationen im Herbst desselben Jahres vergeblich, eine Debatte über die US-amerikanischen Spionageflüge anzustoßen.

Am 12. Oktober 1960 bekam er im Verlauf einer erregten Rede einen legendären Wutanfall, bei dem er angeblich mit seinem Schuh auf den Tisch hämmerte. Bis heute ist jedoch ungeklärt, ob er den Schuh nicht nur auf den Tisch stellte.[2][3] Während in der Sowjetunion führende Kreise beschämt waren, wurde das Geschehen im Westen als origineller Auftritt belächelt. Billy Wilder persiflierte Chruschtschows Verhalten 1961 in seinem Film „Eins, zwei, drei“.

Bereits ab November 1958 strapazierte Chruschtschow die Beziehungen zu den Westmächten mit dem Berlin-Ultimatum. Die sowjetischen Forderungen erzielten jedoch keine Wirkung, so dass die Sowjetunion in der Folge auf eine internationale Lösung der Berlin-Frage verzichtete. 1961 wurde in Berlin der Antifaschistische Schutzwall errichtet.

Unter Chruschtschows und Kennedys Führung kam es im Oktober 1962 zur Kubakrise mit den USA, die zu einem Dritten Weltkrieg hätte führen können. Die beiden Staatsführer konnten sich im letzten Moment einigen, die Krise friedlich beizulegen; Chruschtschow zeigte dabei, dass er im Ernstfall und unter Druck eine friedliche Lösung bevorzugte. Wegen Chruschtschows Kurs der „friedlichen Koexistenz“ und seiner versuchten Annäherung an den jugoslawischen Staatschef Josip Broz Tito distanzierte sich die Volksrepublik China von der Sowjetunion. Diese Spaltung der kommunistischen Parteien in der Welt blieb bis zum Zerfall der Sowjetunion bestehen.

Seit etwa 1960 begann Chruschtschows Ansehen in der sowjetischen Führung allmählich schwächer zu werden. Seine Versprechungen von Rekordernten in der Landwirtschaft stellten sich jedes Jahr aufs Neue als unerfüllbar heraus.

Zunächst verloren im Mai 1960 die Mitglieder des Politbüros (damals Präsidium genannt, siehe oben) und Chruschtschow-Anhänger Nikolai Beljajew und Alexei Kiritschenko ihre Mandate; an ihrer Stelle stiegen Nikolai Podgorny sowie Dmitri Poljanski ins Politbüro auf. Unter westlichen Beobachtern blieb umstritten, ob Chruschtschows Günstlinge auf Druck der innerparteilichen Opposition weichen mussten oder ob Chruschtschow selbst aus einer Position der Stärke heraus seine eigenen Leute entließ, weil er mit ihren Leistungen nicht zufrieden war. Politbüromitglied Frol Koslow konnte indes seinen Einfluss mehren; er war seit 1961 nach Chruschtschow der zweite Mann in der Partei und damit sein designierter Nachfolger. Noch im selben Jahr ließ Chruschtschow das Parteistatut durch Koslow verändern, sodass ein Viertel der führenden Funktionsträger in den kommenden Jahren nicht mehr wiedergewählt werden konnte. Damit wollte er die Leistungsbereitschaft hoher Funktionäre forcieren. In der Partei erregte diese Maßnahme aber Unmut. Chruschtschow-Freunde wie Nikolai IgnatowJekaterina FurzewaAwerki Aristow und Nuritdin Muchitdinow verloren im Oktober des Jahres ihre Vollmitgliedschaft im Politbüro, hingegen stiegen Gennadi Woronow und Andrei Kirilenko zugleich in das Politbüro auf. Die die „Entstalinisierung“ wurde zwar noch in symbolischen Gesten allgemein mitgetragen (so wurde Stalins Leichnam im Oktober 1961 über Nacht aus dem Lenin-Mausoleum entfernt und in einem Einzelgrab der Nekropole an der Kremlmauer beigesetzt), aber vorsichtig wurde nunmehr Kritik geäußert: an der Politik der Liberalisierung (Stichwort: „Tauwetter-Periode“), den gestörten Beziehungen zur Volksrepublik China und zu Albanien, dem neuen Personenkult um Chruschtschow, der Kuba-Krise, seinen Reformbemühungen, die zunehmend Verwirrung stifteten, und seiner anscheinend zu geringen Unterstützung der Schwer- und Rüstungsindustrie.

 

 

Polen: Nikita Chruschtschow auf der Durchreise. Der Erste Sekretär des ZK der KPdSU, Ministerpräsident Nikita Chruschtschow, winkt polnischen Bürgern auf dem polnischen Grenzbahnhof Kunowice zu, den er auf seiner Rückreise vom VI. Parteitag des SED in Berlin passierte.
Bildquelle: Von Bundesarchiv, Bild 183-B0624-0041-005 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5360228
Zentralbild, 28.6.1963 70. Geburtstag Walter Ulbrichts N.S. Chruschtschow in Berlin eingetroffen Der Erste Sekretaer des ZK der KPdSU und Vorsitzende des Ministerrates der UdSSR, N.S. Chruschtschow, ist anlaesslich des 70. Geburtstages des Ersten Sekretaers des ZK der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Walter Ulbricht, am 28. Juni 1963 zu einem Freundschaftsbesuch in der DDR auf dem Flugplatz Berlin-Schoenefeld eingetroffen. UBz.: Von Zehntausenden Berlinern wurden N.S. Chruschtschow und Walter Ulbircht bei ihrer Fahrt vom Flugplatz durch die Strassen Berlins begeistert umjubelt. – Hier in der Karl-Marx-Allee.-
Bildquelle: Von Bundesarchiv, Bild 183-B0628-0015-023 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5360234

Auch im Zentralkomitee, seiner eigentlichen Machtbasis, verlor Chruschtschow nach und nach Anhänger. Vor allem mit seiner Parteireform 1962 hatte er die breite Masse der Funktionäre verprellt, indem er ihnen viele Privilegien genommen und ein Zuständigkeitschaos angerichtet hatte.

Am 10. April 1963 erlitt Koslow einen Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholte, und Leonid Breschnew (auch ein Zögling Chruschtschows) rückte zur Nummer 2 in der Führung auf. Letzte Anlässe für den Sturz Chruschtschows waren seine Annäherungspolitik an die BRD unter Umgehung des Politbüros und seine Eigenmächtigkeiten gegenüber der staatlichen Planung (Gosplan) mit dem Ziel, die Landwirtschaft wiederholt umzuorganisieren. Michail Suslow und Breschnew, aber auch Alexei KossyginAnastas Mikojan und Poljanski führten am 14. Oktober 1964 unter anderem mit der Kritik an der Parteireform, dem veränderten Parteistatut und der Landwirtschaftspolitik mit Billigung des Zentralkomitees seinen Sturz als Parteichef und Ministerpräsident herbei.

Breschnew wurde sein Nachfolger als Erster Sekretär des Zentralkomitees, Kossygin als Ministerpräsident. Mikojan wurde Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets (de jure Staatsoberhaupt). Bei aller Enttäuschung über seine kalte Abservierung deutete Chruschtschow es dennoch als Sieg der Partei und Zeichen für den inneren Wandel in der Sowjetunion seit 1953, dass er in Rente geschickt – und nicht verhaftet oder gar liquidiert – worden war.

1966 verlor Chruschtschow schließlich auch formell seinen Sitz im ZK der KPdSU. Seit seinem Sturz lebte er in seiner Datscha(Wochenendhaus) bei Moskau. Dort starb er am 11. September 1971 im Alter von 77 Jahren an Herzversagen. Sein Grab auf dem Moskauer Nowodewitschi-Friedhof wurde auf seinen eigenen Wunsch hin von Ernst Neiswestny gestaltet, den Chruschtschow in einer Ausstellung 1962 noch als „degenerierten Künstler“ bezeichnet hatte.

Im Jahre 1970 erschienen seine Memoiren „Khrushchev Remembers“ („Chruschtschow erinnert sich“) in englischer Sprache, deren Autorschaft er jedoch stets leugnete. Seine Stimme auf den Tonbändern, auf denen er die Aufzeichnungen als Rentner in seiner Datscha diktiert hatte, ist aber eindeutig identifiziert worden.

 

Entnommen aus Wikipedia, bearbeitet von Petra Reichel

 

 

Berlinkrise

Die Berlin-Krise beziehungsweise zweite Berlin-Krise begann am 27. November 1958, als die Sowjetunion unter Nikita S. Chruschtschow eine Note an die drei westlichen Besatzungsmächte Berlins, die USA, Großbritannien und Frankreich, richtete. In der Note wurde angekündigt, dass die Sowjetunion der DDR die Kontrolle über die Verbindungswege zwischen Westdeutschland und Westberlin übertragen werde, wenn nicht innerhalb eines halben Jahres eine alliierte Übereinkunft zustandekommen würde, mit der Berlin in eine Freie Stadt verwandelt würde. Diese Note, die die Berlin-, die Deutschland- und die Abrüstungsthematik verknüpfte, wird als das Chruschtschow-Ultimatum oder auch Berlin-Ultimatum bezeichnet.

Grundlage für diese Note war die Aufkündigung des Viermächtestatus für Berlin und Gesamtdeutschland durch die Sowjetunion.

Zwei Wochen zuvor, am 10. November 1958, hielt Chruschtschow im Moskauer Sportpalast eine Rede, in der es hieß:

„Die Imperialisten haben die deutsche Frage zu einer ständigen Quelle internationaler Spannungen gemacht […]. Man muss offen sagen, dass der Militarismus in Westdeutschland nicht nur nicht beseitigt ist, sondern im Gegenteil sein Haupt immer höher hebt […] Reden von Bundeskanzler Konrad Adenauer und Verteidigungsminister Franz Josef Strauß, die atomare Bewaffnung der Bundeswehr und verschiedene Manöver verweisen auf einen deutlichen politischen Trend der herrschenden Kreise Westdeutschlands […]. Offensichtlich ist die Zeit gekommen, dass die Mächte, die das Potsdamer Abkommen unterzeichneten, auf die Reste des Besatzungsregimes in Berlin verzichten und damit die Möglichkeit geben, eine normale Lage in der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik zu schaffen. Die Sowjetunion ihrerseits wird alle Funktionen in Berlin, die noch sowjetischen Organen obliegen, an die souveräne Deutsche Demokratische Republik übertragen.“
Nikita S. Chruschtschow: Rede am 10. November 1958 im Moskauer Sportpalast

 

In der Note forderte die sowjetische Führung die Umwandlung Westberlins in eine „selbständige politische Einheit“ zu einer so genannten Freien Stadt, die entmilitarisiert sein sollte. Sie bestand auf einem Abzug der Truppen der Westalliierten aus Westberlin und formulierte so die Drei-Staaten-Theorie.

Am 14. Dezember 1958 bekräftigten die Außenminister der drei Westmächte Frankreich, Großbritannien und USA sowie der BRD auf einer Konferenz in Paris ihre Entschlossenheit, ihre Rechte in Berlin zu wahren. Am 16. Dezember 1958 erklärten die Außenminister der NATO-Staaten nochmals die Zugehörigkeit Westberlins zum Schutzbereich des NATO-Bündnisses. Zwei Tage später protestierte auch die Versammlung der Westeuropäischen Union (WEU) in Paris gegen die ultimative Drohung der Sowjetunion in der Berlin-Frage.

Die Regierung der BRD lehnte in einer Note an die Sowjetunion am 5. Januar 1959 die Errichtung einer „Freien Stadt West-Berlin“ und die Anerkennung der DDR sowie eine Konföderation der beiden deutschen Staaten ab. Die Sowjetunion legte daraufhin am 10. Januar einen Entwurf für einen Friedensvertrag mit Deutschland vor. BRD-Außenminister Heinrich von Brentano wies diesen Vorschlag sofort zurück, in dem die 29 Teilnehmerstaaten des Krieges gegen Deutschland sowie die BRD und die DDR aufgefordert wurden, innerhalb von zwei Monaten eine Friedenskonferenz unter deutscher Beteiligung einzuberufen.

Von Mai bis August 1959 kamen die Außenminister der Vier Mächte in Genf zu einer „Deutschlandkonferenz“ zusammen. Delegationen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik nahmen als Beobachter teil. US-Präsident Dwight D. Eisenhower bezeichnete die Respektierung der Rechte und Pflichten der Westmächte in Berlin als Mindestbedingung für seine Teilnahme an einer Gipfelkonferenz mit der Sowjetunion.

 

Am 8. September 1959 benannte Westberlins Regierender Bürgermeister, Willy Brandt (SPD), vier Grundsätze der westdeutschen Berlin-Politik:

  • Berlin (gemeint ist Westberlin) gehört zum freien Teil Deutschlands
  • Das Selbstbestimmungsrecht der Berliner darf nicht geschmälert werden
  • Vier-Mächte-Verantwortung in und für Berlin und
  • Recht auf freien Zugang nach Berlin.

 

Als militärische Reaktion gründeten die westlichen Alliierten die geheime Organisation Live Oak(geheime militärische Organisation der Westalliierten welche die Sicherheit Westberlins gewährleisten sollte.), deren Aufgabe die Planung von Gegenmaßnahmen im Falle neuer sowjetischer Behinderungen auf den Transitwegen war. Sie bestand bis zum 2. Oktober 1990.

Die Sowjetunion stellte ihre Forderungen ein, weil ihr eigentliches Ziel, die Vereinigung Berlins und anschließende Eingliederung in die DDR, als nicht durchführbar betrachtet wurde. Sie drohte nun, dass sie mit der DDR einen separaten Friedensvertrag unterzeichnen und ihr die staatliche Souveränität übertragen würde, falls die Forderungen nicht innerhalb von sechs Monaten erfüllt würden, sodass sie die Kontrolle über alle Verkehrswege nach West-Berlin hätte. Damit sollte versucht werden, die Fluchtbewegung von Ost nach West über Westberlin zu stoppen. Die Reaktion der drei Westmächte und des Regierenden Bürgermeisters Brandt war entschiedene Ablehnung, sodass das Ultimatum nach einem halben Jahr ergebnislos verstrich.

Bei seinem ersten Treffen mit dem neuen US-Präsidenten John F. Kennedy am 3. und 4. Juni 1961 in Wien erneuerte Chruschtschow das Berlin-Ultimatum. Kennedy konterte in einer Rundfunk- und Fernsehansprache am 25. Juli 1961 mit den Three Essentials, den drei unabdingbaren Grundsätzen:

  1. Das unantastbare Recht der Westmächte auf Anwesenheit in ihren jeweiligen Sektoren Westberlins
  2. Das Zugangsrecht der Westmächte zur ehemaligen Reichshauptstadt Berlin
  3. Die Wahrung der Sicherheit und der Rechte der Bürger West-Berlins durch die westlichen Besatzungsmächte

 

Die Three Essentials wurden im Juni 1972 mit dem Inkrafttreten des Viermächteabkommens über Berlin gesichert.

 

Konfrontation sowjetischer und US-amerikanischer Panzer am 27. Oktober 1961
Konfrontation sowjetischer und US-amerikanischer Panzer am 27. Oktober 1961

Bildquelle:
Von National Archives – http://nsarchive.chadwyck.com/bcphotox.htm, Gemeinfrei, Bild ist entsprechend verlinkt

 

 

 

Als Folge des Versuchs der SED-Führung, alliierte Rechte der Westmächte in Berlin einzuschränken, standen sich am 27. Oktober 1961 sowjetische und amerikanische Panzer am „Checkpoint Charlie“ gefechtsbereit gegenüber. Heute weiß man, dass die Kommandeure beider Seiten den Befehl hatten, ihre Panzer notfalls einzusetzen. Im November 1961 reagierten die USA auf die neuere Berlin-Krise mit der „Operation Stair Step“. Dabei wurden über 200 Kampfflugzeuge aus den Vereinigten Staaten über Kanada und die Azoren nach Frankreich verlegt und kehrten erst im August 1962 wieder in die USA zurück. Es folgte die Kuba-Krise, und in der Berlin-Krise gab es keine Fortschritte bei der Lösung der gegensätzlichen Positionen. Bis Anfang September 1963 gab es weiterhin Störungen des alliierten Zugangs nach Berlin, allerdings wird heute das Ende der Berlin-Krise mit dem Jahr 1962 angegeben.
Zahlen und Fakten Wikipedia, bearbeitet von Petra Reichel

 

Kubakrise

Die Kubakrise im Oktober 1962 war eine Konfrontation zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion, die sich aus der Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen auf Kuba und der daraufhin erfolgten Drohung der amerikanischen Regierung unter Präsident John F. Kennedy entwickelte, sie werde nötigenfalls Atomwaffen einsetzen. Mit der Stationierung auf Kuba hatte die Sowjetunion auf die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen vom Typ Jupiter in der Türkei reagiert. Die eigentliche Krise dauerte 13 Tage. Ihr folgte eine Neuordnung der internationalen Beziehungen. Mit der Kubakrise erreichte der Kalte Krieg eine neue Qualität. Erstmals wurden die ungeheuren Gefahren eines möglichen Atomkrieges einer breiten Öffentlichkeit bewusst.

Aus dem Zweiten Weltkrieg waren die USA und die Sowjetunion als Weltmächte hervorgegangen. Sie standen für zwei gegensätzliche Wirtschaftssysteme und Ideologien. Mit der Entwicklung immer neuer Waffentechnologien kam etwa ab Anfang der 1950er-Jahre ein nie zuvor da gewesenes Wettrüsten in Gang.

Als Trägermittel für Nuklearwaffen dienten vor der Einführung der ersten Interkontinentalraketen Langstreckenbomber. Standardmodell wurden der Flugzeugtyp B-52 in den USA und die Tu-95 in der Sowjetunion. In den 1950er-Jahren waren die USA mit der Bomberflotte des Strategic Air Command ihrem Kontrahenten sowohl in der Zahl der Atomwaffen als auch der Trägermittel noch stark überlegen. Als die Sowjetunion 1957 die erste funktionsfähige Interkontinentalrakete der Welt präsentierte, wirkte das im Westen als Schock. Allerdings machten die langen Vorwarnzeiten einen Überraschungsangriff mit Flugzeugen wie auch mit Raketen nahezu unmöglich.

Um diese Vorwarnzeiten zu umgehen, mussten Raketen näher am Ziel installiert werden. Im Jahre 1958 begann die Sowjetunion mit der Aufstellung von atomaren Mittelstreckenraketen des Typs R5 in der DDR, die gegen Ziele in Westeuropa, insbesondere die BRD, gerichtet waren. Sie wurden jedoch 1959 überraschend nach Kaliningrad verlegt. Die nächste Stufe des Wettrüstens folgte noch im selben Jahr. Diese erreichten die USA im Januar 1959 mit der Aufstellung von nuklearen Mittelstreckenraketen des Typs Thor in England sowie Jupiter-Raketen in Südostitalien (Apulien) und in der Nähe von Izmir in der Türkei. Dabei wurde selbst ein nuklearer Erstschlag nicht ausgeschlossen, der den Gegner durch massiven Einsatz von Kernwaffen vernichten und jede Vergeltung unmöglich machen sollte. Anfang der 1960er-Jahre war es erstmals möglich, dass sich beide Weltmächte von heimischem Boden aus mit nuklear bestückten Interkontinentalraketen beschießen konnten.

Durch die sowjetisch-chinesischen Verstimmungen in den 1950er-Jahren und Chruschtschows gescheiterten Versuch, in der Berlin-Krise vom November 1958 der Stadt den Viermächtestatus zu entziehen, drohte eine Schwächung der sowjetischen Position im Kalten Krieg. Die Lage änderte sich, als im Januar 1959 die Guerilla unter Fidel Castro den kubanischen Diktator Fulgencio Batista stürzte. Castro bildete eine Revolutionsregierung, in der anfangs noch verschiedene oppositionelle Gruppen vertreten waren, darunter auch die bald bevorzugten Kommunisten. Batista war lange von den USA unterstützt worden und auch Castro warb 1959 um Aufrechterhaltung der guten Beziehungen. Für die US-Regierung, die aufgrund von Castros Bündnis mit den Kommunisten skeptisch blieb, kam er jedoch als Partner nicht in Frage. US-Präsident Eisenhower lehnte es ab, Kuba wirtschaftliche Hilfsangebote zu machen, die amerikanische Regierung unterstützte später die kubanische Opposition, auch bei von einzelnen Gruppen verübten Terror- und Sabotageakten. Es wurden Mordanschläge gegen Castro versucht, und das Fingieren von Terrorakten und militärischen Zwischenfällen als Vorwand für eine Invasion Kubas wurde erwogen.

Die UdSSR beobachtete diese Entwicklung aufmerksam und nahm im Mai 1960 diplomatische Beziehungen zu Kuba auf. Castro hoffte, mit der wirtschaftsstarken UdSSR im Rücken ein Vorbild für die nationale Unabhängigkeit in Lateinamerika werden zu können. Die USA werteten dies als inakzeptablen Versuch, in Mittel- und Südamerika den Kommunismus zu verbreiten.

Nach der entschädigungslosen Verstaatlichung von Agrarland, Banken und Raffinerien in US-Besitz auf Kuba verbot die Regierung der USA im Oktober 1960 per Dekret, Erdöl nach Kuba zu exportieren; gleichzeitig untersagte sie jeglichen Import aus Kuba. Das sowjetische Politbüro sagte hierauf wirtschaftliche und militärische Unterstützung zu. Diese Zusagen gelten heute als Anlass für die mit verdeckter Unterstützung der CIA durch Exilkubaner ausgeführte Invasion in der Schweinebucht vom April 1961, die für die Angreifer in einem Fiasko endete. Die USA erarbeiteten noch im selben Jahr ein geheimes Programm zur Sabotage und Unterwanderung Kubas (Operation „Mongoose“).

Das Bündnis zwischen der Sowjetunion und Kuba war für beide Staaten vorteilhaft. Die UdSSR hoffte ihr strategisches Defizit gegenüber den USA auszugleichen, wenn das gegnerische Territorium durch Mittelstreckenraketen erreichbar würde, und Kuba betrachtete die Sowjetunion als wichtigsten Handelspartner und Schutzmacht, welche die Regierung Castro vor gewaltsamer Einflussnahme der USA schützen konnte.

Von 1959 an stationierten die USA in Italien eine Staffel mit 25 und in der Türkei zwei Staffeln mit je 25 nuklear bestückten Mittelstreckenraketen vom Typ Jupiter, die auf die UdSSR gerichtet waren.
Am 26. und 27. Oktober 1960 starteten die USA von der Laughlin Air Force Base in Texas erstmals auch U-2-Aufklärungsflüge über Kuba. Am 5. September 1961 wurden erstmals Aufnahmen von Flugabwehrraketen vom Typ S-75 und von Kampfflugzeugen vom Typ MiG-21 Fishbed gemacht.
Im April 1962 wurden die amerikanischen Thor- und Jupiter-Atomraketen in der Türkei einsatzbereit gemacht.
Zudem fuhren auf den Meeren US-U-Boote mit Polaris-Atomraketen. Diese Submarine-launched ballistic missiles konnten auch unter Wasser abgefeuert werden und waren entsprechend schwer zu treffen. Die Sowjetunion hatte zu dem Zeitpunkt nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen.

Ab dem 10. Juli 1962 begann die UdSSR unter dem Decknamen Operation Anadyr auf Kuba heimlich mit der Stationierung von Militär. Die sowjetische Marine und Handelsflotte transportierten mit 183 Fahrten von 86 Schiffen über 42.000 Soldaten und 230.000 Tonnen Ausrüstung nach Kuba, darunter 40 R-12- und 24 R-14-Mittelstreckenraketen mit dazugehörigen Atomsprengköpfen von 0,65 MT (R-12) bzw. 1,65 MT (R-14) (die über Nagasaki abgeworfene Fat Man hatte 0,024 MT). Diese Raketen wurden offensichtlich nicht nur zum Schutz Kubas installiert, sondern dienten vor allem dazu, ein militärisches Drohpotential aufzubauen, welches die Schwäche des sowjetischen Arsenals an Interkontinentalraketen kompensieren sollte.

Übersicht Kubakrise JPEG
Übersicht Kubakrise

entnommen Wikipedia

Erste nachrichtendienstliche Hinweise im westlichen Lager über den Bau angriffsfähiger sowjetischer Raketenbasen auf Kuba stammten mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Bundesnachrichtendienst(kurz BND,Geheimdienst der BRD): Der BND besaß seit Juni 1962 Informationen über den Ausbau der Basen für Mittelstreckenraketen und wertete diesen als gefährliche Provokation der USA durch die Sowjetunion. Am 5. und 29. August 1962 ging die CIA entsprechenden Hinweisen nach und entdeckte auf Fotos eines Aufklärungsflugzeugs des Typs U-2 erstmals in der Provinz Pinar del Río Startvorrichtungen für sowjetische Luftabwehrraketen.

Kubakrise 1962- Reichweite der sowjetischen Raketen auf Kuba
Kubakrise 1962: Reichweite der sowjetischen Raketen auf Kuba

 

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Von CIA – The John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston. [1], Gemeinfrei, Bild ist entsprechend verlinkt

 

Am 8. September 1962 legte das sowjetische Frachtschiff „Omsk“ mit einer Ladung von SS-4-Mittelstreckenraketen in Havanna an, brachte die Fracht aber nicht an Land. Am 15. September 1962 wurden im Atlantik US-Aufklärungsfotos von dem mit Militärgütern beladenen sowjetischen Frachtschiff „Poltava“ gemacht, das sich auf dem Weg nach Kuba befand.

Raketen- und Luftwaffenstützpunkte in Kuba im Oktober 1962 (US-Grafik)
Raketen- und Luftwaffenstützpunkte im Oktober 1962 (US-Grafik)

 

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Von United States Department of Defense graphic in the John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston. – http://www.jfklibrary.org, Gemeinfrei, Bild ist entsprechend verlinkt

 

 

Luftbild vom 17. Oktober 1962 mit einer Raketenstellung
Luftbild vom 17. Oktober 1962 mit einer Raketenstellung

 

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Von USAF – [1], Gemeinfrei Bild ist entsprechend verlinkt

 

Luftaufnahme der Faktenstellung nahe San Cristóbal am 14. Oktober 1962
Luftaufnahme der Faktenstellung nahe San Cristóbal am 14. Oktober 1962

 

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Von unknown, U-2-Pilot – National Archives, John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston, Massachusetts, Gemeinfrei, Bild ist entsprechend verlinkt

 

Luftbild vom 27. Oktober 1962 mit einer Raketenstellung
Luftbild vom 27. Oktober 1962 mit einer Raketenstellung

 

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Von Unbekannt – National Archives, John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston, Massachusetts, Gemeinfrei, Bild ist entsprechend verlinkt

 

Luftbild vom 1. November 1962
Luftbild vom 1. November 1962

 

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Von USAF – http://www.af.mil/photos, Gemeinfrei, Bild ist entsprechend verlinkt

 

 

Abtransport von Raketen (November 1962)
Abtransport von Raketen (November 1962)

 

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Von Unbekannt – http://www.af.mil/shared/media/photodb/photos/070327-F-4085M-552.JPG or http://www.defenseimagery.mil/imagery.html;jsessionid=BBF3FDD5A96E2C7D849CDB1BBC316A78#guid=6bcfd7b6e86fefd3080c0b455503a089d9f899b3, Gemeinfrei, Bild ist entsprechend verlinkt

 

Zeittafel der Kubakrise:

Zur eigentlichen Krise kam es im Oktober 1962:

 

Sonntag, 14. Oktober: US-Präsident „John F. Kennedy“ genehmigt erneut Luftaufnahmen der Aufklärungsflugzeuge Lockheed U-2. Zweimal überfliegen U-2-Flugzeuge vom Luftwaffenstützpunkt Laughlin in Texas aus die Raketenstellungen auf Kuba. Sie entdecken sowjetische Techniker und Soldaten beim Bau von Startrampen für sowjetische Mittelstreckenraketen des Typs SS-4 „Sandal“ und SS-5 „Skean“ in der Nähe von San Cristóbal. Sie schießen mehrere Fotos. Die sowjetischen Truppen entdecken das Flugzeug, haben aber keinen Befehl für Gegenmaßnahmen.
Montag, 15. Oktober: Auf den ausgewerteten Fotos wird der Beweis erbracht: Die Startrampen für SS-4-Mittelstreckenraketen existieren. Sie befinden sich nahe San Cristóbal im Nordwesten Kubas und wären in der Lage, Teile der USA zu erreichen. Die reichweitenstärkeren SS-5-Raketen werden nicht entdeckt. Außenminister Dean Rusk und Verteidigungsminister Robert McNamara werden informiert, Sicherheitsberater McGeorge Bundy entscheidet, den Präsidenten erst am nächsten Morgen zu informieren.
Dienstag, 16. Oktober: John F. Kennedy wird von McGeorge Bundy informiert und beruft sofort einen Beraterstab (Executive Committee, ExComm) ein. Verschiedene Reaktionen werden erörtert: Hinnehmen der Stationierung, Luftangriff und Invasion. Alle Beratungen und Ergebnisse werden vor der Öffentlichkeit (und somit auch vor der Sowjetunion) geheim gehalten. Präsident Kennedy ordnet weitere U-2-Aufklärungsflüge an. Beim zweiten Treffen des ExComm am Nachmittag schlägt Robert McNamara eine Seeblockade Kubas vor.
Mittwoch, 17. Oktober: Es folgen sechs weitere U-2-Aufklärungsflüge über die Raketenstellungen. Die Luftaufnahmen beweisen die Existenz von 16 bis 32 Raketen (Typ SS-4 und SS-5) mit einer Reichweite von bis zu 4500 km. Diese Raketen hätten neben der amerikanischen Hauptstadt auch die wichtigsten Industriestädte der USA erreichen können; die Vorwarnzeit hätte nur fünf Minuten betragen. Außerdem werden IL-28-Bomber entdeckt.
Donnerstag, 18. Oktober: Der sowjetische Außenminister Andrei Gromyko besucht Kennedy, wie schon seit längerem geplant. Kennedy spricht die Situation auf Kuba nicht an, da er aus taktischen Gründen Geheimhaltung wahren will. Allerdings wird mehrfach die alte sowjetische Forderung angesprochen, Westberlin müsse entmilitarisiert werden. Dadurch erhärtet sich die amerikanische Annahme, die Sowjetunion wolle durch ihr Vorgehen auf Kuba die eigene Position in neuen Berlinverhandlungen verbessern. Eine Auffassung, die auch die Westalliierten teilen, die sich jedoch als Fehlinterpretation erweisen wird. Meldungen von umfassenden neuen Waffenlieferungen nach Kuba verbreiten sich in Washington, D.C. Die Militärs werden ungeduldig. Eine Seeblockade halten die US-Generäle für zu schwach: Man müsse sofort mit Luftangriffen und anschließender Invasion handeln. Air-Force-General Curtis E. LeMay drängt auf einen Angriff: „Der rote Hund gräbt im Hinterhof der USA und muss dafür bestraft werden.“ Justizminister Robert F. Kennedy, Bruder des Präsidenten, lässt durch seinen Stellvertreter Nicholas deB. Katzenbach die Rechtsgrundlagen für eine Seeblockade Kubas prüfen. Im Verlauf der Gespräche im ExComm zieht John F. Kennedy eine Seeblockade vor.
Freitag, 19. Oktober: Präsident Kennedy will kein Aufsehen erregen und reist – gemäß seinem Terminplan – zum Wahlkampf nach Ohio und Illinois. Er fordert Robert F. Kennedy auf, eine Mehrheit im ExComm für die Blockade-Option zustande zu bringen. Katzenbach unterrichtet das ExComm über die rechtlichen Umstände der Blockade. Das ExComm wird in zwei Gruppen aufgeteilt, in denen verschiedene Möglichkeiten zur Bekämpfung der Raketen auf Kuba ausgearbeitet werden. Auf der einen Seite stehen die „Hawks“ (Falken), welche den Luftangriff präferieren, auf der anderen Seite die „Doves“ (Tauben), welche für die friedlichere Option der Blockade eintreten.
Samstag, 20. Oktober: Es gelingt Robert F. Kennedy, eine Mehrheit im ExComm für die Blockadeoption zu erreichen. Er ruft den Präsidenten in Chicago an, und John F. Kennedy kehrt nach Washington zurück. Obwohl die Entscheidung für die Blockade gefallen ist, werden die Optionen für einen Luftangriff oder eine Invasion Kubas offen gehalten.
Sonntag, 21. Oktober: Berater vom Tactical Air Command (TAC) erklären, dass ein Luftangriff nicht alle sowjetischen Raketen auf Kuba ausschalten könne. Daraufhin genehmigt Kennedy endgültig die Seeblockade. Abends telefoniert er mit den Herausgebern großer Zeitungen (New York Times, Washington Post, New York Herald Tribune), um eine verfrühte Berichterstattung zu verhindern.
Montag, 22. Oktober: Einer der wichtigsten Tage der Krise. Am Morgen kündigen amerikanische Zeitungen eine Rede des Präsidenten von nationaler Bedeutung für 19 Uhr Washingtoner Zeit an. Alle US-Streitkräfte weltweit werden in erhöhte Einsatzbereitschaft (Defense Condition 3) versetzt, weitere US-Soldaten werden zur Vorbereitung einer Invasion nach Florida verlegt und rund 200 Kriegsschiffe um Kuba in Stellung gebracht. Die Regierungsvertreter Großbritanniens, Frankreichs, der BRD und Kanadas werden informiert und versichern Kennedy ihre volle Unterstützung. Die Schweizer Botschaft als Vertreterin der USA informiert die Kubaner, dass auch nächtliche Aufklärungsflüge stattfinden würden und die dafür nötige Beleuchtung kein militärischer Angriff sei. „Kein kubanisches Feuer zu befürchten“ meldete die Schweizer Botschaft zurück nach Washington. Weitere diplomatische Bemühungen laufen in mittel- und südamerikanischen Staaten für eine Unterstützung der amerikanischen Position in der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und bei den Vereinten Nationen (UN). In seiner Fernsehansprache informiert Kennedy die Weltöffentlichkeit über die sowjetischen Raketen auf Kuba und verkündet den Beginn der Seeblockade für den 24. Oktober. Er fordert den sowjetischen Regierungschef Nikita Chruschtschow zum Abzug der Raketen aus Kuba auf und droht für den Angriffsfall mit einem atomaren Gegenschlag. Ab diesem Zeitpunkt ist die Kubakrise öffentlich.
Dienstag, 23. Oktober: Chruschtschow verkündet, die Blockade nicht zu akzeptieren, versichert jedoch, die stationierten Raketen dienten allein der Verteidigung. Die US-Diplomatie hat Erfolg: Die OAS stimmt für das Vorgehen gegen Kuba und bestätigt die Seeblockade. Diese wird offiziell als „Quarantäne“ bezeichnet, da der Begriff „Blockade“ sich im Sprachgebrauch auf militärisches Vorgehen bezieht.
Mittwoch, 24. Oktober: Die von John F. Kennedy als „Quarantäne“ bezeichnete Seeblockade aus amerikanischen Kriegsschiffen beginnt um 10 Uhr Washingtoner Zeit. Es kommt zu einer ersten Zuspitzung, wenngleich die amerikanischen Schiffe nicht ohne den Befehl des Präsidenten schießen dürfen. Dies wurde angeordnet, um eine Eskalation zu vermeiden, sollten die sowjetischen Schiffe versuchen, den Sperrgürtel (mit Radius von 500 Meilen) zu durchbrechen. Doch alle sowjetischen Schiffe drehen ab, nachdem der Radius der Blockade verkleinert wurde, um ihnen mehr Zeit zu geben. Trotzdem ist bei der sowjetischen Regierung keine Bereitschaft zum Einlenken zu erkennen.
Donnerstag, 25. Oktober: Sitzung des UN-Sicherheitsrates in New York City: Diplomatischer Schlagabtausch zwischen den UN-Botschaftern Walerian Sorin (UdSSR) und Adlai Stevenson (USA); die US-Delegation präsentiert der Weltöffentlichkeit erstmals eindeutige Aufklärungsfotos von den sowjetischen Raketenstellungen. Tatsächlich wurde die Zahl der Nuklearraketen von der amerikanischen Seite bei weitem unterschätzt. Auf einer Historikerkonferenz im Jahr 2002 erklärte der damalige Oberbefehlshaber der sowjetischen Streitkräfte, dass 40.000 sowjetische Soldaten sowie 42 Raketen auf Kuba installiert gewesen waren, einschließlich taktischer Atombomben, deren Einsatz bereits autorisiert war. Etwa 80 Atomsprengköpfe befanden sich während der Krise auf Kuba. US-Verteidigungsminister Robert McNamara und Raymond Garthoff, damals Mitarbeiter des US-Außenministeriums, konstatierten später gar, die USA hätten nicht ernsthaft damit gerechnet, dass die Mittelstreckenraketen auf Kuba tatsächlich nuklear bestückt seien.

 

Freitag, 26. Oktober:

  • Trotz Blockade geht die Stationierung der Raketen auf Kuba weiter. Das ExComm debattiert über militärische Schritte. Die Hardliner plädieren für Luftangriffe und – falls nötig – eine Invasion. Kennedy erreicht ein Schreiben von Chruschtschow, in dem dieser anbietet, die Raketen von Kuba abzuziehen, falls eine Invasion von Kuba durch die Amerikaner ausgeschlossen werde. Kennedy sichert das zu. Der erste Frachter, der von der amerikanischen Marine blockiert werden sollte, hatte allerdings einen Begleitschutz von mehreren U-Booten. Durch Übungswasserbomben zwingen die Amerikaner die U-Boote zum Auftauchen. Wie erst im Jahr 2002 bekannt wurde, waren diese teilweise mit Atomwaffen bestückt und auch zur Verteidigung damit autorisiert.
  • Trotz Defense Condition 2, der höchsten Alarmbereitschaft der Streitkräfte unterhalb eines Krieges, setzte die US-Air Force unter Leitung von LeMay am 26. Oktober über dem Johnston Atoll eine Serie an Atombombentests fort, indem im Rahmen der Operation Dominic der Test Bluegill Triple Prime durchgeführt wurde. Das ExComm wurde davon jedoch nicht in Kenntnis gesetzt. Auch die UdSSR testeten in den folgenden Tagen zwei Atomwaffen in der Atmosphäre.
  • Castro fordert für den Fall einer US-Invasion einen atomaren Erstschlag auf US-amerikanisches Territorium. In einem Brief antwortet Chruschtschow vier Tage später: „Sie haben uns vorgeschlagen, als erste einen nuklearen Schlag gegen das Territorium des Feindes durchzuführen. Sie wissen sicherlich, was das für uns zur Folge gehabt hätte. Dies wäre nicht ein einfacher Schlag, sondern der Beginn des nuklearen Krieges. Lieber Genosse Castro, ich halte Ihren Vorschlag für unkorrekt.

 

Samstag, 27. Oktober, der sogenannte „schwarze Samstag“:

  • Morgens wird in Cape Canaveral, USA ein Test mit der neuen Interkontinentalrakete LGM-25C Titan II (USAF-Seriennr. 61-2735) durchgeführt, über den das ExComm ebenfalls nicht informiert war.
  • Die „Völkerfreundschaft“, ein Urlauberschiff der DDR mit 500 Passagieren an Bord, ignoriert den Blockadering der Amerikaner und riskiert, von ihnen aufgebracht zu werden. John F. Kennedy verhindert dies persönlich, das Schiff kann in Havanna einlaufen.
  • Ein US-Zerstörer zwingt mit einer Granate das sowjetische U-Boot B-59 zum Auftauchen. Das U-Boot hat Nuklearwaffen an Bord; um Haaresbreite bricht der Nuklearkrieg aus. Doch Wassili Alexandrowitsch Archipow, einer der drei Offiziere an Bord des U-Bootes, weigert sich, einen Torpedo ohne weiteren Befehl aus Moskau abzuschießen.
  • Ein amerikanisches Aufklärungsflugzeug verirrt sich in sowjetischen Luftraum, Kampfflugzeuge steigen auf. Das US-Flugzeug kann um Haaresbreite entkommen.
  • Ein weiterer Brief von Chruschtschow trifft ein. Darin wird der Raketenabzug nun sowohl an ein Nichtangriffsversprechen der USA als auch an den Abzug der amerikanischen Jupiter-Raketen aus der Türkei gebunden.
  • Ein amerikanisches U-2-Aufklärungsflugzeug wird über Kuba von einer SA-2-Guideline-Flugabwehrrakete abgeschossen; der Pilot Major Rudolf Anderson wird dabei getötet. Kennedy untersagt einen Gegenangriff ausdrücklich und erklärt sich noch einmal zu weiteren Verhandlungen bereit.
  • Um 19:45 Uhr Washingtoner Zeit findet ein Geheimtreffen zwischen Robert F. Kennedy und dem Sowjetbotschafter Dobrynin statt. John F. Kennedy lässt seinen Bruder erklären, dass er auch einem Abzug der in der Türkei stationierten amerikanischen Jupiter-Raketen zustimmen würde, wie es bereits im zweiten – schon förmlicheren – Schreiben von Chruschtschow gefordert worden war. Diese Möglichkeit hält er vor den meisten Mitgliedern des ExComm geheim, die mehrheitlich einen Luftangriff fordern. Dobrynin gibt diese Nachricht sofort nach Moskau weiter. Spätnachts entscheidet Nikita Chruschtschow, das Angebot Kennedys anzunehmen und die Raketen aus Kuba abzuziehen.

 

Sonntag, 28. Oktober: Die Geheimdiplomatie ist erfolgreich.

  • Chruschtschow lenkt ein und erklärt sich bereit, die Raketen zu entfernen. Im Gegenzug erklären die USA: keine Invasion auf Kuba. Außerdem – was nicht öffentlich werden darf – Abbau der Raketen in der Türkei.
  • Der Rückzug der sowjetischen Raketen wird über Radio Moskau von Chruschtschow bekannt gegeben. Die Krise ist beendet.
  • Die MS „Völkerfreundschaft“ erhält aus Berlin/DDR die Aufforderung, Havanna sofort zu verlassen und Kurs auf den Heimathafen zu nehmen.

 

Lösung des Konflikts

Die beiden Staaten vereinbarten folgende Bedingungen: Die Sowjetunion zieht ihre Raketen aus Kuba ab. Dagegen erklären die USA, keine weitere militärische Invasion Kubas zu unternehmen und in geheimer Absprache ihrerseits die amerikanischen Jupiter-Raketen aus der Türkei abzuziehen. Der Abzug aus der Türkei findet etwas später und unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, um die NATO-Partner der USA nicht zu brüskieren und die Vereinigten Staaten als Sieger der Krise darstellen zu können.Am 5. November begann der Abzug der Mittelstreckenraketen von Kuba, der offiziell innerhalb von fünf Tagen vollzogen war. Der ursprüngliche Plan der Sowjetunion war es gewesen, die Raketen den Kubanern zu übertragen. Doch als Chruschtschow am 15. November 1962 erfuhr, dass Castro vor ihrem Einsatz auch zu Angriffszwecken gegen die USA nicht zurückschreckte, entschied er sich dafür, alle Atomsprengköpfe in die Sowjetunion zurückzuschicken und lediglich einige konventionell bestückte Kurzstreckenraketen auf der Insel zu belassen. Am 20. November 1962 – nach offiziell erfolgtem Abzug der sowjetischen Mittelstreckenraketen – lösten die USA schließlich die Seeblockade um Kuba auf. Der tatsächliche Abzug der Raketen war erst Anfang Januar 1963 abgeschlossen.
Abgesehen von dieser Öffentlichkeitswirkung waren die Ereignisse von 1962 aus Sicht der beiden Weltmächte USA und Sowjetunion ein taktischer Sieg der jeweils anderen Seite; dies geht aus später veröffentlichten Geheim-Reden der jeweiligen Präsidenten Kennedy und Chruschtschow hervor und verstärkte das Misstrauen der militärischen Führungen beider Länder gegen die eigenen Regierungen.
Nach der Krise verblieben sowjetische Kurzstreckenraketen der Kategorie FROG auf der Insel. Sie konnten zwar aufgrund der geringen Reichweite keine US-amerikanischen Städte treffen, aber den US-Stützpunkt in der Bucht von Guantanamo und heranfahrende Schiffe bedrohen. Die Gefahr, die von den verbleibenden Raketen auf Kuba ausging, war den Vereinigten Staaten im Nachgang der Krise bekannt und wurde akzeptiert, da die FROG-Raketen als Verteidigungswaffen angesehen werden konnten.

 

800 Frauen der Women Strike for Peace demonstrieren in New York am 23. Oktober für die friedliche Beilegung der Krise
800 Frauen der Women Strike for Peace demonstrieren in New York am 23. Oktober für die friedliche Beilegung der Krise

 

Bildquelle:
Von New York World-Telegram and the Sun staff photographer: Stanziola, Phil, photographer. – Library of Congress Prints and Photographs Division. New York World-Telegram and the Sun Newspaper Photograph Collection. http://hdl.loc.gov/loc.pnp/cph.3c28465, Gemeinfrei, Bild ist entsprechend verlinkt

 

 

 

Folgen der Krise:

Die unmittelbaren Ergebnisse der Kubakrise waren ein taktischer Erfolg der Sowjetunion, da durch den Abzug der US-Atomraketen aus der Türkei und Italien eine für die Sowjetunion günstigere Lage erreicht wurde.
Die Krise führte jedoch auch zu ersten Verhandlungen über eine Rüstungskontrolle. So wurde beispielsweise am 5. August 1963 in Moskau ein Vertrag über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser unterzeichnet und ab 1969 auch die SALT-Abkommen verhandelt, die eine Begrenzung der Interkontinentalraketen beider Länder vorsah. Es gab fortan eine Entspannungspolitik zwischen den beiden Weltmächten.

Kennedy entzog den Militärs die eigenständige Verfügung über die Atomwaffen durch die Einführung eines für einen Atomschlag zwingend erforderlichen nuklearen Freischaltcodes in der Hand des US-Präsidenten, die über den sogenannten Atomkoffer übertragen werden können. Die Präsidenten tragen den Code seitdem ständig bei sich. Auch die UdSSR führte ein solches System ein. Für Kennedy persönlich war die Abwendung der Krise mit einem Anwachsen seiner Popularität in der amerikanischen Bevölkerung verbunden. Da der Abzug der Jupiter-Raketen aus der Türkei nicht öffentlich bekannt wurde, konnte sich Kennedy in der Öffentlichkeit als Hardliner profilieren, der mit einer Machtbekundung die UdSSR zum Einlenken zwingen konnte.
Um friedensgefährdenden Missverständnissen und direkten Konfrontationen aus dem Weg zu gehen, wurde der Informationsaustausch zwischen den Großmächten verbessert. So wurde beispielsweise 1963 als weitere Reaktion auf die Krise der so genannte „Heiße Draht“ eingerichtet, eine direkte Fernschreibverbindung zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml, die den direkten Kontakt zwischen den Staatsmännern ermöglichen sollte. Auf diese Weise sollten in einer Krisensituation sofortige Verhandlungen möglich sein, so dass eine Eskalation abgewendet werden könne. Der Heiße Draht kam zum ersten Mal am 5. Juni 1967 kurz nach Beginn des Sechstagekriegs zum Einsatz, der zwischen Israel und den arabischen Staaten Ägypten, Jordanien und Syrien ausbrach. Auch danach wurde er in einer Reihe weiterer Konflikte während des Kalten Kriegs genutzt.
Des Weiteren verschärften die USA nach der Krise ihr Embargo gegen Kuba nochmals. Kuba reagierte mit einer noch engeren Anbindung an die Sowjetunion.
Die Kubakrise führte auch zu einer neuen Beziehung zwischen den Weltmächten, die sich in einer beiderseitigen „Entspannungspolitik“ ausdrückte. Allerdings behielt da der Westen die Oberhand und erlangte immer mehr Einfluss in den damaligen sozialistischen Ländern.

„Entspannungspolitik“ und „friedliche Koexistenz“ riefen erstmal bei vielen Menschen in der Welt Hoffnungen hervor. Doch es sollte keine ewige „friedliche Koexistenz“ bleiben. Das war die indirekte Strategie, die 1989 schließlich zum Erfolg geführt hat.
Zahlen und Fakten Wikipedia, bearbeitet von Petra Reichel

 

Gegenrede zum Artikel „Churchills Verdienst“

..von Peter Hacks in Junge Welt Titel

.und Gastbeitrag von Rolf Preil

 

Gastbeitrag von Dernier Cri

 

So sehr ich Peter Hacks auf der Grundlage der mir bekannten Veröffentlichungen auch schätze, die im hier vorliegenden Beitrag aufgeführte Einschätzung teile ich nur bedingt. Das Thema ist jedoch so umfangreich, dass ich mich nur kurzfassend dazu äußern möchte. Die Briten hatten gar keine andere Möglichkeit, als sich gegen Nazi-Deutschland zu stellen. Schließlich lautete der Auftrag an die Deutschen, die befreiten Völker der Sowjetunion wieder in die Sklaverei zurückzuwerfen. Der deutsche Konkurrent sollte sich dabei gemeinsam mit der Sowjetunion ausbluten. Ein siegreiches deutsches Kapital wäre das Ende des britischen Imperiums gewesen. Von daher betrachtete das britische Kapital seinen deutschen Konkurrenten auch als die größere Gefahr, die es gegen alle Widerstände niederzuwerfen galt. Churchill war in der komfortablen Lage, Jahrhunderte alte Strukturen nutzen zu können. Die Sowjetunion stellte aus Sicht der Imperialisten nur eine Zäsur dar. Stalin gelang es jedoch, die gesetzmäßigen Widersprüche der imperialistischen Völkermörder zugunsten der jungen Sowjetrepublik und seiner Menschen auszunutzen. Dafür hassen ihn die Ausbeuter noch heute. Nicht der britische Untertan Churchill machte sich verdient, sondern die Revolution unter der Führung des Revolutionärs J. Stalin. Sie zwangen das Kapital, sich über Jahrzehnte zu bescheiden. Da die Verbrecher der alten Ausbeutergesellschaft aber auch noch in der jungen Sowjetunion Nischen fanden, war der erste erfolgreiche Vorstoß der Menschheit, den Sozialismus aufzubauen, bereits nach der Okkupation der Partei Lenins durch die Revisionisten um Chruschtschow herum, dem Untergang geweiht. Die Zersetzung erfolgte in Abstimmung mit dem westlichen Kapital konspirativ und schrittweise. Churchill im Nachhinein irrigerweise als den eigentlichen Drahtzieher der Abläufe darzustellen, verkennt die Tatsache, dass er nur eine austauschbare Marionette in einem eingefahren Laufwerk war. Stalin hingegen hatte nur die marxistisch-leninistischen Erkenntnisse, einen Pool an revolutionären Kampferfahrungen und die aufopferungsvollen Völker der Sowjetunion sowie deren Freunde in aller Welt. Er hinterlässt eine Epoche an wertvollsten Erfahrungen für die Menschheit. Die Revolution hat einen weiteren großen Schritt in Richtung endgültigen Sieg getan.

 

Zum besseren Verständnis:

Siehe „Der lange Weg der Menschheit“ auf

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