Systemkritik im Systemblatt?

Man lese und staune. DER SPIEGEL kritisiert den Kapitalismus und plädiert für Marx.

Bild entnommen aus DER SPIEGEL Nr.1/30.12.2022

Gibt es nun eine neue SPIEGEL-AFFÄRE? Mitnichten, denn bei näherem Hinsehen stellen wir fest, dass das Systemblatt DER SPIEGEL nicht die Seiten gewechselt hat.

Als es noch die sozialistischen Länder in Europa gab, ließ DER SPIEGEL niemals ein gutes Haar an ihnen. Gegen die DDR ist ständig gehetzt worden und Fehler wurden gnadenlos ausgenutzt und ausgewalzt. Na ja, die BLÖD für Intelligente eben.

Im aktuellen Artikel gibt es keinerlei Rückblick auf die Erfahrungen im vergangenen Sozialismus. Auch auf die verbliebenen sozialistischen Länder außerhalb Europas wird auch nicht eingegangen. Käme eh nichts Gescheites bei raus.

Irgendwelche „klugen Köpfe“ glauben „den Stein der Weisen“ gefunden zu haben.

Die Kapitalismuskritik wird aus Sicht der GRÜNEN dargestellt. Wie sinnig. DIE GRÜNEN wollen gewiss kein anderes System. DIE GRÜNEN spielten eine wichtige Rolle beim Untergang der DDR.

Dann folgt noch ein Interview mit Ricarda Lang zum Thema. Bringt uns nicht wirklich weiter.

Der ein oder andere Leserbrief zum Thema in DER SPIEGEL Nr.2/07.01.2023 ist interessant, andere hingegen kann man „in die Tonne kloppen“.

 

Auswertung von Petra Reichel

 

Original-Texte aus DER SPIEGEL zum Download

aus DER SPIEGEL Nr. 1/30.12.2022

aus DER SPIEGEL Nr. 1/30.12.2022

aus DER SPIEGEL Nr. 2/07.01.2023

Conrad Ahlers

Conrad Ahlers wurde am 08. November 1922 in Hamburg geboren und ist am 18. Dezember 1980 in Bonn gestorben. Er war ein deutscher Journalist und Politiker (SPD).

Conrad Ahlers (1974)
Bildquelle: Von Bundesarchiv_B_145_Bild-F043132-0034,_Bonn,_Empfang_bei_Bundesratsdirektor_Dr._Pfitzer.jpg:Ludwig WegmannBeschreibungdeutscher FotografNormdatei: Q109374788VIAF: 18152501139410682865GND: 1156657059derivative work: Mkill (talk) – Bundesarchiv_B_145_Bild-F043132-0034,_Bonn,_Empfang_bei_Bundesratsdirektor_Dr._Pfitzer.jpg, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=8423759

Conrad Ahlers, Sohn des Exportkaufmanns Adolf Ahlers und einer Pastorentochter, trat nach seinem Abitur am Heinrich-Hertz-Gymnasium 1941 in die Wehrmacht ein.

Im Zweiten Weltkrieg war er bei der 1. Fallschirmjäger-Division, zuletzt als Ordonnanzoffizier (Leutnant) der III. Abteilung des Fallschirm-Artillerie-Regiments 1. Ahlers wurde an der Ostfront und 1943 bis 1945 in Italien eingesetzt, und nahm unter anderem an der Schlacht um Monte Cassino teil.

Conrad Ahlers war 1947 Mitbegründer der Jungen Union. 1949 wurde er Redakteur beim „Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt“. 1951 wechselte Ahlers als Chef vom Dienst zum Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. 1952 wurde er Pressereferent in der Dienststelle von Theodor Blank, dem Amt Blank.[2]

1954 ging er als außenpolitischer Redakteur zur Tageszeitung „Die Welt“, wurde 1957 Bonner Korrespondent für das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, 1959 innenpolitischer Redakteur der „Frankfurter Rundschau“ und 1962 stellvertretender Chefredakteur des „Spiegel“.


Die Spiegelaffäre

Am 8. Oktober 1962 veröffentlichte Ahlers im Spiegel einen Artikel über den Zustand der Bundeswehr mit dem Titel „Bedingt abwehrbereit“, indem unter anderem der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Strauß heftig kritisiert wurde. Das war der Auslöser für die SPIEGEL-Affäre. Auf Veranlassung von Strauß wurde Ahlers zusammen mit seiner Frau im Urlaub unter Vortäuschung falscher Tatsachen in Spanien von der Polizei inhaftiert. Strauß, der seine lügenhafte Verwicklung in die Affäre abgestritten hatte, wurde durch den Rücktritt der fünf FDP-Minister in der Bundesregierung zum Ausscheiden aus der Regierung gezwungen. Im Dezember 1962 wurde Ahlers aus der Haft entlassen. Am 13. Mai 1965 wurde das Verfahren des Vorwurfs des Geheimnisverrats gegen ihn durch den Bundesgerichtshof als unbegründet eingestellt.


1968 trat Ahlers der SPD bei. Im ersten Kabinett des Bundeskanzlers Willy Brandt war er von 1969 bis 1972 als beamteter Staatssekretär, Regierungssprecher und Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, dessen stellvertretender Leiter er zuvor in der großen Koalition von 1966 bis 1969 gewesen war.

Am 6. September 1972 um 0 Uhr sprach er als Sprecher der Bundesregierung in mehreren TV-Interviews, bez. des Befreiungsversuchs der israelischen Mannschaft bei Geiselnahme durch die palästinensische Terrororganisation „Schwarzer September“ während der Olympischen Sommerspiele in München, von einer „glücklichen und gut verlaufenen Aktion“.[3]

Vom 13. Dezember 1972 bis 7. März 1980 war Ahlers für Rheinland-Pfalz im Wahlkreis Bad Kreuznach/Birkenfeld zwei Wahlperioden lang Abgeordneter der SPD im Bundestag der alten BRD; dort gehörte Ahlers, selbst Major der Reserve, dem Verteidigungsausschuss an. Aufgrund der Wahl zum Intendanten der Deutschen Welle im Dezember 1979 legte er sein Bundestagsmandat nieder. Auch während seiner Abgeordnetentätigkeit war er journalistisch für verschiedene Zeitungen tätig, sowie ab 1973 für die Öffentlichkeitsarbeit der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung tätig.[4]

Ahlers starb unerwartet am 18. Dezember 1980 an einem Kreislaufversagen.[5] Er war evangelisch und mit der Kolumnistin und Buchautorin Heilwig von der Mehden verheiratet. Seine beiden Kinder Detlev (1953 geboren) und Sibylle (1961 geboren) arbeiten ebenfalls als Journalisten.

Auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg wird bei Planquadrat Z 11 (südwestlich „Nordteich“) auf dem Familiengrabstein an Conrad Ahlers erinnert.[6]

Grabstätte von Conrad Ahlers
Bildquelle: Von Vitavia – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=73823949

Entnommen Wikipedia, bearbeitet von Petra Reichel

Die SPIEGEL-Affäre (1962)

Die SPIEGEL-Affäre im Jahre 1962 in der alten BRD war ein Angriff auf die Pressefreiheit. Man bedenke, dass die BRD damals, wie heute die vergrößerte BRD sich der Pressefreiheit rühmt. Pressefreiheit ist relativ.  Natürlich darf das politische und wirtschaftliche System nicht angegriffen werden. Die offiziellen Medien dürfen zwar Empörung schüren, aber niemals zum Aufstand gegen das System aufrufen oder gar eine Revolution begünstigen.

Im Jahre 1962 ist man beim SPIEGEL zu weit gegangen. Man witterte Landesverrat. Teile der Öffentlichkeit in der alten BRD sahen einen Versuch, eine damals missliebige Publikation zum Schweigen zu bringen.

In der SPIEGEL-Ausgabe 41/1962 vom 10. Oktober[1] erschien unter dem Titel „Bedingt abwehrbereit“ ein von Conrad Ahlers und dem Bonner SPIEGEL-Redakteur Hans Schmelz verfasster Artikel zu den Resultaten des NATO-Manövers „Fallex 62“.

SPIEGEL-Titelbild 41/1962
Bild entnommen aus DER SPIEGEL Nr. 1/30.12.2021
Conrad Ahlers (1974)
Bildquelle: Von Bundesarchiv_B_145_Bild-F043132-0034,_Bonn,_Empfang_bei_Bundesratsdirektor_Dr._Pfitzer.jpg:Ludwig WegmannBeschreibungdeutscher FotografNormdatei: Q109374788VIAF: 18152501139410682865GND: 1156657059derivative work: Mkill (talk) – Bundesarchiv_B_145_Bild-F043132-0034,_Bonn,_Empfang_bei_Bundesratsdirektor_Dr._Pfitzer.jpg, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=8423759

Dieses war von der Annahme ausgegangen, der dritte Weltkrieg beginne mit einem sowjetischen Großangriff auf Westeuropa. Der Artikel stellt das damalige Konzept eines atomaren Erstschlags („pre-emptive strike“) und die entsprechende Rüstungspolitik unter Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß in Frage: Die Bundeswehr sei aufgrund ihrer mangelhaften Ausstattung zu der von der NATO seit dem Amtsantritt des US-amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy im Jahr 1961 bevorzugten konventionellen Vorwärtsverteidigung gegen Truppen des Warschauer Vertrags nicht in der Lage. Eine wirksame Abschreckung bleibe fraglich. Die Informationen, die zum Artikel führten, wurden dem SPIEGEL vom Leiter des Führungsreferats im Führungsstab des Heeres, Oberst Alfred Martin zur Verfügung gestellt.

Bundesanwalt Albin Kuhn vermutete am 10. Oktober 1962 Landesverrat und bat das Verteidigungsministerium um ein Gutachten.[2] Der Würzburger Staatsrechtler und damalige Oberst der Reserve Friedrich August Freiherr von der Heydte erstattete am 11. Oktober Anzeige wegen Landesverrates gegen die Redaktion des SPIEGEL. Nach Einholen eines Gutachtens[3] beim Bundesverteidigungsministerium durch die Bundesanwaltschaft – die Ermittlungen leitete Siegfried Buback – erließ der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof am 23. Oktober die beantragten Haftbefehle und Durchsuchungsanordnungen. Die Haftbefehle betrafen mehrere SPIEGELRedakteure, darunter Conrad Ahlers, Claus Jacobi und Johannes K. Engel, sowie den Herausgeber und Chefredakteur Rudolf Augstein.[4]  

Herausgeber Augstein vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe 1963: „Wesenselement des freiheitlichen Staates“
Bild entnommen aus DER SPIEGEL Nr. 1/30.12.2021

Am Abend des 26. Oktober, einem Freitag, begann dann die Besetzung und Durchsuchung der SPIEGEL-Räume im Hamburger Pressehaus, später auch des Redaktionsbüros in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn, durch die Polizei.

Auf Anweisung von Chefredakteur Claus Jacobi übernahm nun der damalige Chef vom Dienst Johannes Matthiesen einen redaktionellen Arbeitsstab, der die Weiterarbeit an der laufenden SPIEGEL-Ausgabe Nr. 44 leisten sollte. Schließlich gab Matthiesen nach Anordnung des Ersten Staatsanwalts Buback am späten Abend „die Druckfahnen vollständig unter Einlegung eines Einspruchs heraus“.[5]

Der damalige Hamburger Innensenator Helmut Schmidt wurde gegen 20:30 Uhr informiert, dass eine Aktion gegen den SPIEGEL begonnen hatte. Schmidt machte sofort „schwere politische Bedenken“ geltend und sah in dieser Aktion „eine außerordentliche Belastung der Debatten um die Notstandsgesetzgebung“. Gleichwohl wies er den Hamburger Kriminaldirektor Erhard Land an, die vom Bundesinnenministerium erbetene Amtshilfe zu gewähren.[4]

Noch in der Nacht wurde Conrad Ahlers, der zusammen mit seiner Frau in Torremolinos im Urlaub war, von der spanischen Polizei verhaftet. Franz Josef Strauß hatte die Verhaftung in einem nächtliche Anruf über den Madrider Militärattaché Achim Oster, im von Diktator Franco regierten Spanien, veranlasst[6] Die Bonner Staatsanwaltschaft stellte später fest, dass er sich damit „objektiv“ der Amtsanmaßung und Freiheitsberaubung schuldig gemacht hatte.[7] Zwei Tage später, am Sonntag, dem 28. Oktober, stellte sich Rudolf Augstein der Polizei und wurde in Untersuchungshaft genommen, er blieb 103 Tage in Haft.[8]

Diese Polizeimaßnahmen führten in Teilen der Bevölkerung, insbesondere bei Studenten, sowie bei der übrigen Presse, die sie als Angriff auf die Pressefreiheit kritisierte, zu Protesten. Da die Durchsuchung der Redaktionsräume des SPIEGEL vom 26. Oktober 1962 bis zum 25. November 1962 anhielt, ermöglichte neben den ebenfalls im Hamburger Pressehaus untergebrachten ZEIT, STERN und MORGENPOST auch die Springer-Presse (Man höre, lese und staune.) den SPIEGEL-Redakteuren die Nutzung von Räumen und Ressourcen, so dass das Magazin weiterhin erscheinen konnte. Während einer tumultartigen Fragestunde im Bundestag am 7. November 1962 verteidigte Bundeskanzler Adenauer (CDU) die Maßnahmen. Den Grundsatz der Unschuldsvermutung missachtend, das Ergebnis der Ermittlungen bereits vorwegnehmend, sagte Bundeskanzler Adenauer im Bundestag: „Wir haben einen Abgrund von Landesverrat im Lande.“ Zwischenruf des Abgeordneten Seuffert (SPD): „Wer sagt das?“ Adenauers Antwort: „Ich sage das.“ Und weiter: „Wenn von einem Blatt, das in einer Auflage von 500.000 Exemplaren erscheint, systematisch, um Geld zu verdienen Landesverrat getrieben wird …“ Die weiteren Ausführungen gingen im lauten Protest der SPD unter.[9][10][11]

Demonstranten in Frankfurt am Main 1962: Auflehnung gegen Autoritätshörigkeit
Bild entnommen aus DER SPIEGEL Nr. 1./30.12.2021

Im Laufe des Novembers weitete sich die SPIEGEL-Affäre zu einer Regierungskrise innerhalb des Kabinetts Adenauer aus. Verteidigungsminister Strauß (CSU) hatte zunächst beteuert, mit der ganzen Aktion nichts zu tun zu haben, geriet aber im Laufe der Zeit immer stärker in Verdacht, im Detail über die Aktionen informiert gewesen zu sein und sie auch selbst vorangetrieben zu haben. Die FDP war darüber erbost, dass Justizminister Wolfgang Stammberger (FDP) im Vorfeld der Aktion nicht informiert worden war – auch hierfür trug Strauß die Verantwortung: Er hatte auf den Staatssekretär im Justizministerium Walter Strauß eingewirkt, Stammberger nicht zu informieren. Am 19. November erklärten alle fünf FDP-Minister ihren Rücktritt aus Protest gegen Verteidigungsminister Strauß. Am 30. November erklärte dieser schließlich seinen Verzicht auf das Amt des Verteidigungsministers, woraufhin es am 14. Dezember 1962 zur Bildung der fünften – und letzten – Regierung Adenauer kam, die nur bis zum 11. Oktober 1963 andauerte.

Siehe auch das Video von Karl-Eduard von Schnitzler. So wurde die SPIEGEL-Affäre in der DDR gesehen.

Die verhafteten SPIEGEL-Redakteure wurden nach und nach aus der Untersuchungshaft entlassen – Hans Schmelz, der den Hauptanteil der Recherchen beigesteuert hatte, nach 81 Tagen; zuletzt auch Rudolf Augstein nach 103 Tagen am 7. Februar.[13] Im Januar 1963 ermittelte die Bundesanwaltschaft im Gefolge der Ereignisse auch gegen den damaligen Hamburger Innensenator Helmut Schmidt wegen Beihilfe zum Landesverrat. Hintergrund war, dass Schmidt im Herbst 1962 der Bitte seines Studienfreunds Conrad Ahlers um Überprüfung von Auszügen des kurz vor der Veröffentlichung stehenden Artikels „Bedingt abwehrbereit“ auf strafrechtliche Veröffentlichungshindernisse nachkam.[14] Dieses Verfahren wurde erst Anfang 1965 eingestellt.

Am 13. Mai 1965 entschied der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, dass keine Beweise vorlägen, die einen wissentlichen Verrat von Staatsgeheimnissen durch Conrad Ahlers und Rudolf Augstein belegen würden. Vielmehr waren die im Artikel genannten militärstrategischen und waffentechnischen Details zum Großteil bereits zuvor in anderen Medien veröffentlicht worden, darunter einem offenen Bericht des Verteidigungsausschusses des Bundestages und in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Sie entsprachen „dem damaligen Stand der öffentlichen Unterrichtung“ und stellten keinen Erkenntnisgewinn für gegnerische Geheimdienste dar. Somit wurde die Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen Ahlers und Augstein abgelehnt.[15] Ein Disziplinarverfahren gegen Oberst Martin wurde eingestellt. Martin wurde zum 1. April 1969 mit 54 Jahren in den Ruhestand versetzt.

Der Spiegel-Verlag wollte durch das Bundesverfassungsgericht feststellen lassen, dass die Durchsuchungsanordnung und Beschlagnahme gegen die Pressefreiheit verstoßen habe. Bei Stimmengleichheit der Verfassungsrichter wurde die Verfassungsbeschwerde am 5. August 1966 zurückgewiesen (Spiegel-Urteil).[16]

Bereits kurz nach der Veröffentlichung des Berichts „Bedingt abwehrbereit“ wurde aus dem Umfeld der CSU die Ansicht geäußert, es handle sich um eine gezielte Aktion des sowjetischen Geheimdienstes KGB zur Diskreditierung des Antikommunisten Strauß. Die – in der Sache zutreffenden – Informationen über die Fallex-Übung seien dem Spiegel vom KGB über einen Mittelsmann zugetragen worden. Der in den Westen übergelaufene tschechoslowakische Geheimdienstoffizier Jan Šejna erklärte 1977 auf einer wissenschaftlichen Tagung in den USA, die SPIEGEL-Affäre sei „zweifellos“ das Ergebnis einer Geheimdienstkampagne der sozialistischen Länder gegen Strauß gewesen. Als der britische Geschäftsmann James Goldsmith diesen Verdacht in seiner Zeitschrift „NOW!“ publizierte, verklagte ihn der SPIEGEL-Verlag wegen übler Nachrede. Goldsmith legte Aussagen mehrerer KGB-Überläufer vor, die seine Version im Wesentlichen bestätigten, so etwa des früheren Agenten Ilya Dzhirkvelov.[18] Bereits ab 1960 sei Strauß auf Anweisung des damaligen ZK-Sekretärs für internationale Angelegenheiten, Boris Nikolajewitsch Ponomarjow, Ziel von Desinformationskampagnen gewesen, etwa durch die Anschuldigung, er sei Informant der CIA.[19] Auch der ranghöchste KGB-Überläufer in den Westen, Oleg Antonowitsch Gordijewski bestätigte eine Urheberschaft des sowjetischen Dienstes an der SPIEGEL-Affäre.[20] 

1984 kam es vor einem britischen Gericht zu einem Vergleich, in welchem Goldsmith zwar einräumte, der SPIEGEL habe nicht „wissentlich mit dem KGB kooperiert“. Ansonsten sah sich Goldsmith aber in seiner Version der Dinge bestätigt und veröffentlichte den vollen Text des Vergleichs über ganzseitige Anzeigen in mehreren deutschen und amerikanischen Tageszeitungen.[21] Der SPIEGEL räumte die Möglichkeit ein, unbewusst von der sowjetischen Seite instrumentalisiert worden zu sein, konnte aber den rufschädigenden Vorwurf abwehren, das Magazin sei in irgendeiner Form vom KGB gesteuert oder hätte mit ihm zusammengearbeitet.[22]

Die SPIEGEL-Affäre ist verfilmt worden. Es gibt auch viele Publikationen darüber. Anlässlich des 75jährigen Bestehens hat DER SPIEGEL selbst einen Artikel darüber aus heutiger Sicht veröffentlicht. (Siehe Download.)

Entnommen Wikipedia, bearbeitet von Petra Reichel

DER SPIEGEL Nr. 1/30.12.2021

DER SPIEGEL über die SPIEGEL-Affäre

Willy Brandt, ein Geheimdienstmann für die Amis

US-Dokumente belegen: Willy Brandt war in der Nachkriegszeit bezahlter Hinweisgeber des US-amerikanischen Geheimdienstes CIC.

Eine Liste des US-Militärgeheimdienstes Counter Intelligence Corps (CIC) vom 1. Juni 1952 führt die Namen deutscher und österreichischer Informanten auf. Sie ist alphabetisch geordnet und enthält Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und Adresse der Zuträger sowie den Zeitpunkt, zu denen die Kooperation endete.

An zehnter Stelle steht „Brandt, Willy“, wohnhaft in Berlin-Schlachtensee. Ende der Zusammenarbeit: 17. März 1952. Als Grund der Trennung ist eine Fünf vermerkt, was nach CIC-Einstufung bedeutete, dass entweder der CIC oder Brandt das Interesse an der Zusammenarbeit verloren hatte.

 

SPD-Politiker Brandt 1949: Monatlich 250 D-Mark von den Amerikanern
Bild entnommen aus DER SPIEGEL Nr. 51/18.12.2021

Sind die Angaben auf der CIA-Liste der schlagende Beweis für jene Gerüchte und Verdächtigungen, die Willy Brandt zeitlebens begleitet hatten? Da Willy Brandt als Hoffnungsträger galt, vermögen es viele nicht zu glauben, dass es damit nicht weit her war. So mögen manche nicht glauben, dass Willy Brandt ein Geheimdienstmann war.

Die Liste des CIC ist deklassifiziert, also freigegeben und liegt dem SPIEGEL vor. Sie ist Teil eines ansonsten geheimen Aktenkonvoluts des CIC zu Brandt, das nun der renommierte Historiker Thomas Boghardt einsehen durfte. Der Deutschamerikaner Boghardt ist leitender Wissenschaftler am Zentrum für Militärgeschichte der U.S. Army in Washington, D.C. , Demnächst erscheint seine Studie über die Geschichte der US-Geheimdienste im Nachkriegsdeutschland.

Danach lieferte Brandt seit 1948 Informationen an den CIC. Der Kalte Krieg zwischen den Amis und Sowjets hatte bereits begonnen. Die Spaltung Deutschlands bahnte sich an.

Als SPD-Funktionär und später als Bundestagsabgeordneter berichtete Brandt vor allem über die sowjetische Besatzungszone (SBZ) und dann über die DDR.

Die Berichte sind zwar verschwunden, doch DER SPIEGEL vermutet, dass diese routinemäßig vernichtet worden wären. Doch es sind sogenannte Kontrollblätter überliefert, auf denen verzeichnet ist, wann Treffen stattfanden, ob und wieviel Geld gezahlt wurde und worum es ging. Boghardt hat sie eingesehen.

Demnach informierte Brandt den CIC über die SED, die FDJ, politische Häftlinge in Bautzen, Werften, Fabriken, das Eisenbahnwesen und über die Telefonausstattung der sowjetischen Streitkräfte in der SBZ, bzw. der DDR.

Am 27. Januar 1950 rekrutierte der CIC Willy Brandt offiziell als „O-Type“, was bedeutete: Er war ein „investigativer Informant“, etwa mit Zugang zu internen Dokumenten. Brandt erhielt die Registriernummer „O-35-VIII“.

Mehr als 200-mal traf sich Brandt laut diesen Quellen mit seinen CIC-Verbindungsleuten, die ihn als „normalerweise zuverlässig“ einstuften.

Auch nach dem formalen Ende der Zusammenarbeit 1952 kam man noch einige Male zusammen. Vor der Währungsreform in den Westzonen, bzw. der Westsektoren in Berlin 1948 erhielt Brandt Zigaretten, Zucker oder Kaffee, die auf dem Schwarzmarkt als Währungsersatz galten. Ab 1950 zahlte ihm der CIC nach Aktenlage monatlich 250 D-Mark, was etwa dem monatlichen Durchschnittseinkommen eines Westdeutschen entsprach, plus Spesen und Sonderzahlungen.

Laut Historiker Boghardt erwies sich Brandt für die US-amerikanischen Dienste „als Goldmine“.

Aber wie ist dieser Aktenfund zu bewerten? Überschritt der spätere Kanzler eine Linie, die er als Politiker nicht hätte überschreiten dürfen? Immerhin kooperierte er auch nach Gründung der BRD mit den US-Amerikanern.

Willy Brandt war schon früh mit der Schattenwelt der Geheimdienste in Verbindung geraten, was für einen Emigranten im Kampf gegen Hitler nicht ungewöhnlich war. Als die Nazis 1933 an die Macht kamen, floh der 19 Jahre alte Sozialdemokrat nach Skandinavien und nahm nach seiner Ausbürgerung die norwegische Staatangehörigkeit an. Brandt arbeitete in Stockholm als Journalist. Zudem lieferte er den alliierten Geheimdiensten Informationen über die deutsche Besatzungsherrschaft in Norwegen und Dänemark und die Lage im neutralen Schweden (DER SPIEGEL 37/1999).

Insbesondere die US-Amerikaner schätzten den gutaussehenden, wortgewandten, polyglotten jungen Deutschen. Unter den Emigranten gehöre er „zu den Fähigsten und ist derjenige, der am wahrscheinlichsten nach dem Krieg eine Rolle spielen wird“, urteilte ein Geheimdienstoffizier.

1947 kehrte der 33-jährige Brandt als Presseattaché der norwegischen Militärmission nach Berlin zurück. Zeitgenossen beschrieben ihn als auffallende Erscheinung, ihn habe schon damals das gewisse Etwas umgeben, das ihn aus dem tristen Nachkriegsalltag heraushob.

Die SPD-Zentrale lag seinerzeit in Hannover und suchte fähige Nachwuchspolitiker, um das Land wieder aufzubauen. Brandt verließ den norwegischen Staatsdienst und wurde Anfang 1948 Vertreter des SPD-Parteivorstandes in Berlin und damit dien Art Botschafter der Sozialdemokraten beim Alliierten Kontrollrat, wie Biograf Peter Merseburger schreibt.

Brandt nahm nun wieder die deutsche Staatsbürgerschaft an. Kontakte zu mit den Siegermächten zählten fortan zu seinen Aufgaben, wohl auch mit dem CIC. So vermittelte er dem Dienst mindestens einen Termin bei SPD-Chef Kurt Schumacher.

Der CIC war eine Mischung aus Polizei und Geheimdienst. Auch US-Außenminister Henry Kissinger und der Schriftsteller J.D. Salinger („Der Fänger im Roggen“) diensten als junge Männer in der Truppe.

Im besetzten Deutschland durfte der CIC Verdächtige festnehmen, Briefe öffnen und Telefone abhören. Zunächst verfolgten die US-Amerikaner Nazi-Verbrecher. Mit dem Aufkommen des Ost-West-Konflikts wandten sie sich gegen die Sowjets.

Das geteilte Berlin wurde zum Tummelplatz der Dienste, die einander befehdeten.

Sektorengrenze in Berlin 1948: Tummelplatz der Geheimdienste
Bild entnommen aus DER SPIEGEL Nr. 51/18.12.2021

Brandt, später als Hoffnungsträger der „Entspannungspolitik“ verehrt, war damals ein Kalter Krieger der offenen Konfrontation. In den CIC-Papieren wird der als „intelligenter, energischer Mann“ beschrieben. Ein Freund der Westmächte, der „wie ein wahrer Sozialist den Kommunismus hasst“.

Die erste Verbindung Brandts zu dem Geheimdienst war bald nach seiner Ankunft in Berlin durch einen US-Diplomaten zustande gekommen. Damals war Brandt noch norwegischer Offizier. Zwei CIC-Männer-Emigranten wie Brandt wurden seine Verbindungsleute. Sie trafen sich in einer konspirativen Wohnung in der Hagenstraße in Berlin-Grunewald, in Brandts Haus oder in dessen Auto. Brandt gebe die Informationen weiter, weil er glaube, der CIC bekämpfe „aktiv den Kommunismus“ heißt es laut Boghardt in einem CIC-Papier.

Die US-Amerikaner interessierte das Ostbüro der SPD. Noch war die Grenze nicht geschlossen. Man konnte über Berlin in die SBZ, bzw die DDR reisen. Kuriere fuhren nach Rostock oder Leipzig und versorgten die dortigen illegalen Sozialdemokraten mit Flugblättern und Broschüren. Zugleich sammelte das Ostbüro Informationen über das Geschehen jenseits des „Eisernen Vorhangs“. Eine verharmlosende Umschreibung für Wühltätigkeit gegen die SBZ, später die DDR.

Wenn man den CIC-Berichten glauben kann, gab Brandt vieles an die US-Amerikaner weiter, was er selbst aus dem Ostbüro über die politische und wirtschaftliche Lage im sowjetischen Bereich erfuhr. Am wichtigsten waren den US-Amerikanern Hinweise auf eine etwaigen Angriff Moskaus. Auskünfte über SPD-Interna lehnte Brandt offenbar ab.

Von westlicher Seite war an dieser Verbindung nichts inhaltlich anrüchig. Es ging doch darum mithilfe der US-amerikanischen Schutzmacht die bürgerliche Demokratie im Westen aufzubauen. Bis 1955 war die BRD nicht mal politisch souverän. Von den Vorschriften der BRD über Landesverrat waren deutsche Informanten der Alliierten ausdrücklich ausgenommen. (Anmerkung: Es ging da wohl eher um die Westalliierten. P.R.)

Historiker Boghardt glaubt allerdings, Brandt habe hinter dem Rücken seiner Genossen gehandelt. Dafür sprechen Treffen zwischen Brandt und den Agenten im Geheimen, die Bezahlung, seine CIC-Registrierung als „O-35-VIII“. Solche Nummern mit einem O wurden laut Boghardt an Quellen vergeben, die Informationen aus Organisationen weitergaben, zu denen sie aufgrund ihrer Stellung besonderen Zugang hatten, Im Falle Brandts das Ostbüro.

Nach CIC-Angaben hat Brandt zudem einige Zuträger des Ostbüros an die Amerikaner vermittelt- ein klarer Verstoß gegen den damaligen Ehrenkodex der SPD. Informanten wurden grundsätzlich nicht den Ausländischen Diensten überlassen.

Es gibt jedoch starke Indizien, die eine ganz andere Deutung nahelegen: Danach hat Brandt möglicherweise mit Wissen oder gar im Auftrag der Parteioberen gehandelt. So wusste die SPD-Führung, dass das Ostbüro mit Briten und US-Amerikanern grundsätzlich kooperierte. Es gebe „in gewissen Fällen gegenseitige Hilfe“, heißt es in einem zeitgenössischen Bericht für den SPD-Parteivorstand aus dem Archiv der sozialen Demokratie, der dem SPIEGEL vorliegt. Die Zusammenarbeit sei mit der damaligen SPD-Spitze abgesprochen gewesen, bestätigt für seine Organisation auch Peter Sichel (99), der damals CIA-Chef in Westberlin war.

Ex-CIA-Mann Sichel
Bild entnommen aus DER SPIEGEL Nr. 51/18.12.2021

Wer etwa aus den westlichen Besatzungszonen nach Westberlin wollte, war auf Züge oder Flugzeuge der Alliierten angewiesen.

Durchaus denkbar also, dass Brandt mit Rückendeckung der Parteispitze den CIC mit Wissen aus dem Ostbüro gefüttert hat. Und vielleicht wurde er sogar ohne seine Kenntnis als Informant geführt, eine von ihm unterzeichnete Verpflichtungserklärung liegt jedenfalls bislang nicht vor. Seine CIC-Betreuer klagen vielmehr, dass für Brandt die Loyalität zur SPD „an erster Stelle“ stehe und er nur in Ausnahmefällen davon abweiche. Und die monatlichen Zahlungen des CIC? In seinen Erinnerungen „Links und frei“ hat Brandt später kategorisch ausgeschlossen, jemals Zuwendungen von einem Geheimdienst erhalten zu haben, was nach CIC-Angaben nicht stimmt. Allerdings gab er die Zigaretten, Lebensmittelgaben und das Bargeld von den US-Amerikanern überwiegend für die Arbeit des Ostbüros aus. Ein CIC-Offizier notierte 1948, Brandt habe „noch nie irgendeine Art von Bezahlung verlangt oder akzeptiert“.

Brandt sei nicht korrupt gewesen, betont auch CIA-Veteran Sichel, dessen Geheimdienst ebenfalls Kontakt zu dem Sozialdemokraten unterhielt. Nach Sichels Erinnerungen hat die CIA Brandt allerdings nie als einen Informanten gesehen, sondern als einen von mehreren „Vertretern legitimer politischer Parteien“, mit denen man über die Zukunft Deutschlands gesprochen habe.

Nur in einer Hinsicht zeigte Willy Brandt sich dann doch anfällig für Geschenke. Brandt habe „eine große Vorliebe für amerikanischen Whiskey“, heißt es in einem CIA-Bericht. Wenn man gelegentlich eine Flasche mitbringe, nehme er diese gerne an. Und an manchen Abenden, so geht es aus den Rechnungen der Geheimdienstakte hervor, brachten die Agenten gleich mehrere mit.

Entnommen aus DER SPIEGEL Nr. 51/18.12.2021, bearbeitet von Petra Reichel

Autor des Original-Beitrages ist Klaus Wiegrefe

Download des Original-Artikels aus DER SPIEGEL, Autor Klaus Wiegrefe