Conrad Ahlers

Conrad Ahlers wurde am 08. November 1922 in Hamburg geboren und ist am 18. Dezember 1980 in Bonn gestorben. Er war ein deutscher Journalist und Politiker (SPD).

Conrad Ahlers (1974)
Bildquelle: Von Bundesarchiv_B_145_Bild-F043132-0034,_Bonn,_Empfang_bei_Bundesratsdirektor_Dr._Pfitzer.jpg:Ludwig WegmannBeschreibungdeutscher FotografNormdatei: Q109374788VIAF: 18152501139410682865GND: 1156657059derivative work: Mkill (talk) – Bundesarchiv_B_145_Bild-F043132-0034,_Bonn,_Empfang_bei_Bundesratsdirektor_Dr._Pfitzer.jpg, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=8423759

Conrad Ahlers, Sohn des Exportkaufmanns Adolf Ahlers und einer Pastorentochter, trat nach seinem Abitur am Heinrich-Hertz-Gymnasium 1941 in die Wehrmacht ein.

Im Zweiten Weltkrieg war er bei der 1. Fallschirmjäger-Division, zuletzt als Ordonnanzoffizier (Leutnant) der III. Abteilung des Fallschirm-Artillerie-Regiments 1. Ahlers wurde an der Ostfront und 1943 bis 1945 in Italien eingesetzt, und nahm unter anderem an der Schlacht um Monte Cassino teil.

Conrad Ahlers war 1947 Mitbegründer der Jungen Union. 1949 wurde er Redakteur beim „Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt“. 1951 wechselte Ahlers als Chef vom Dienst zum Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. 1952 wurde er Pressereferent in der Dienststelle von Theodor Blank, dem Amt Blank.[2]

1954 ging er als außenpolitischer Redakteur zur Tageszeitung „Die Welt“, wurde 1957 Bonner Korrespondent für das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, 1959 innenpolitischer Redakteur der „Frankfurter Rundschau“ und 1962 stellvertretender Chefredakteur des „Spiegel“.


Die Spiegelaffäre

Am 8. Oktober 1962 veröffentlichte Ahlers im Spiegel einen Artikel über den Zustand der Bundeswehr mit dem Titel „Bedingt abwehrbereit“, indem unter anderem der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Strauß heftig kritisiert wurde. Das war der Auslöser für die SPIEGEL-Affäre. Auf Veranlassung von Strauß wurde Ahlers zusammen mit seiner Frau im Urlaub unter Vortäuschung falscher Tatsachen in Spanien von der Polizei inhaftiert. Strauß, der seine lügenhafte Verwicklung in die Affäre abgestritten hatte, wurde durch den Rücktritt der fünf FDP-Minister in der Bundesregierung zum Ausscheiden aus der Regierung gezwungen. Im Dezember 1962 wurde Ahlers aus der Haft entlassen. Am 13. Mai 1965 wurde das Verfahren des Vorwurfs des Geheimnisverrats gegen ihn durch den Bundesgerichtshof als unbegründet eingestellt.


1968 trat Ahlers der SPD bei. Im ersten Kabinett des Bundeskanzlers Willy Brandt war er von 1969 bis 1972 als beamteter Staatssekretär, Regierungssprecher und Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, dessen stellvertretender Leiter er zuvor in der großen Koalition von 1966 bis 1969 gewesen war.

Am 6. September 1972 um 0 Uhr sprach er als Sprecher der Bundesregierung in mehreren TV-Interviews, bez. des Befreiungsversuchs der israelischen Mannschaft bei Geiselnahme durch die palästinensische Terrororganisation „Schwarzer September“ während der Olympischen Sommerspiele in München, von einer „glücklichen und gut verlaufenen Aktion“.[3]

Vom 13. Dezember 1972 bis 7. März 1980 war Ahlers für Rheinland-Pfalz im Wahlkreis Bad Kreuznach/Birkenfeld zwei Wahlperioden lang Abgeordneter der SPD im Bundestag der alten BRD; dort gehörte Ahlers, selbst Major der Reserve, dem Verteidigungsausschuss an. Aufgrund der Wahl zum Intendanten der Deutschen Welle im Dezember 1979 legte er sein Bundestagsmandat nieder. Auch während seiner Abgeordnetentätigkeit war er journalistisch für verschiedene Zeitungen tätig, sowie ab 1973 für die Öffentlichkeitsarbeit der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung tätig.[4]

Ahlers starb unerwartet am 18. Dezember 1980 an einem Kreislaufversagen.[5] Er war evangelisch und mit der Kolumnistin und Buchautorin Heilwig von der Mehden verheiratet. Seine beiden Kinder Detlev (1953 geboren) und Sibylle (1961 geboren) arbeiten ebenfalls als Journalisten.

Auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg wird bei Planquadrat Z 11 (südwestlich „Nordteich“) auf dem Familiengrabstein an Conrad Ahlers erinnert.[6]

Grabstätte von Conrad Ahlers
Bildquelle: Von Vitavia – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=73823949

Entnommen Wikipedia, bearbeitet von Petra Reichel

Die SPIEGEL-Affäre (1962)

Die SPIEGEL-Affäre im Jahre 1962 in der alten BRD war ein Angriff auf die Pressefreiheit. Man bedenke, dass die BRD damals, wie heute die vergrößerte BRD sich der Pressefreiheit rühmt. Pressefreiheit ist relativ.  Natürlich darf das politische und wirtschaftliche System nicht angegriffen werden. Die offiziellen Medien dürfen zwar Empörung schüren, aber niemals zum Aufstand gegen das System aufrufen oder gar eine Revolution begünstigen.

Im Jahre 1962 ist man beim SPIEGEL zu weit gegangen. Man witterte Landesverrat. Teile der Öffentlichkeit in der alten BRD sahen einen Versuch, eine damals missliebige Publikation zum Schweigen zu bringen.

In der SPIEGEL-Ausgabe 41/1962 vom 10. Oktober[1] erschien unter dem Titel „Bedingt abwehrbereit“ ein von Conrad Ahlers und dem Bonner SPIEGEL-Redakteur Hans Schmelz verfasster Artikel zu den Resultaten des NATO-Manövers „Fallex 62“.

SPIEGEL-Titelbild 41/1962
Bild entnommen aus DER SPIEGEL Nr. 1/30.12.2021
Conrad Ahlers (1974)
Bildquelle: Von Bundesarchiv_B_145_Bild-F043132-0034,_Bonn,_Empfang_bei_Bundesratsdirektor_Dr._Pfitzer.jpg:Ludwig WegmannBeschreibungdeutscher FotografNormdatei: Q109374788VIAF: 18152501139410682865GND: 1156657059derivative work: Mkill (talk) – Bundesarchiv_B_145_Bild-F043132-0034,_Bonn,_Empfang_bei_Bundesratsdirektor_Dr._Pfitzer.jpg, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=8423759

Dieses war von der Annahme ausgegangen, der dritte Weltkrieg beginne mit einem sowjetischen Großangriff auf Westeuropa. Der Artikel stellt das damalige Konzept eines atomaren Erstschlags („pre-emptive strike“) und die entsprechende Rüstungspolitik unter Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß in Frage: Die Bundeswehr sei aufgrund ihrer mangelhaften Ausstattung zu der von der NATO seit dem Amtsantritt des US-amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy im Jahr 1961 bevorzugten konventionellen Vorwärtsverteidigung gegen Truppen des Warschauer Vertrags nicht in der Lage. Eine wirksame Abschreckung bleibe fraglich. Die Informationen, die zum Artikel führten, wurden dem SPIEGEL vom Leiter des Führungsreferats im Führungsstab des Heeres, Oberst Alfred Martin zur Verfügung gestellt.

Bundesanwalt Albin Kuhn vermutete am 10. Oktober 1962 Landesverrat und bat das Verteidigungsministerium um ein Gutachten.[2] Der Würzburger Staatsrechtler und damalige Oberst der Reserve Friedrich August Freiherr von der Heydte erstattete am 11. Oktober Anzeige wegen Landesverrates gegen die Redaktion des SPIEGEL. Nach Einholen eines Gutachtens[3] beim Bundesverteidigungsministerium durch die Bundesanwaltschaft – die Ermittlungen leitete Siegfried Buback – erließ der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof am 23. Oktober die beantragten Haftbefehle und Durchsuchungsanordnungen. Die Haftbefehle betrafen mehrere SPIEGELRedakteure, darunter Conrad Ahlers, Claus Jacobi und Johannes K. Engel, sowie den Herausgeber und Chefredakteur Rudolf Augstein.[4]  

Herausgeber Augstein vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe 1963: „Wesenselement des freiheitlichen Staates“
Bild entnommen aus DER SPIEGEL Nr. 1/30.12.2021

Am Abend des 26. Oktober, einem Freitag, begann dann die Besetzung und Durchsuchung der SPIEGEL-Räume im Hamburger Pressehaus, später auch des Redaktionsbüros in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn, durch die Polizei.

Auf Anweisung von Chefredakteur Claus Jacobi übernahm nun der damalige Chef vom Dienst Johannes Matthiesen einen redaktionellen Arbeitsstab, der die Weiterarbeit an der laufenden SPIEGEL-Ausgabe Nr. 44 leisten sollte. Schließlich gab Matthiesen nach Anordnung des Ersten Staatsanwalts Buback am späten Abend „die Druckfahnen vollständig unter Einlegung eines Einspruchs heraus“.[5]

Der damalige Hamburger Innensenator Helmut Schmidt wurde gegen 20:30 Uhr informiert, dass eine Aktion gegen den SPIEGEL begonnen hatte. Schmidt machte sofort „schwere politische Bedenken“ geltend und sah in dieser Aktion „eine außerordentliche Belastung der Debatten um die Notstandsgesetzgebung“. Gleichwohl wies er den Hamburger Kriminaldirektor Erhard Land an, die vom Bundesinnenministerium erbetene Amtshilfe zu gewähren.[4]

Noch in der Nacht wurde Conrad Ahlers, der zusammen mit seiner Frau in Torremolinos im Urlaub war, von der spanischen Polizei verhaftet. Franz Josef Strauß hatte die Verhaftung in einem nächtliche Anruf über den Madrider Militärattaché Achim Oster, im von Diktator Franco regierten Spanien, veranlasst[6] Die Bonner Staatsanwaltschaft stellte später fest, dass er sich damit „objektiv“ der Amtsanmaßung und Freiheitsberaubung schuldig gemacht hatte.[7] Zwei Tage später, am Sonntag, dem 28. Oktober, stellte sich Rudolf Augstein der Polizei und wurde in Untersuchungshaft genommen, er blieb 103 Tage in Haft.[8]

Diese Polizeimaßnahmen führten in Teilen der Bevölkerung, insbesondere bei Studenten, sowie bei der übrigen Presse, die sie als Angriff auf die Pressefreiheit kritisierte, zu Protesten. Da die Durchsuchung der Redaktionsräume des SPIEGEL vom 26. Oktober 1962 bis zum 25. November 1962 anhielt, ermöglichte neben den ebenfalls im Hamburger Pressehaus untergebrachten ZEIT, STERN und MORGENPOST auch die Springer-Presse (Man höre, lese und staune.) den SPIEGEL-Redakteuren die Nutzung von Räumen und Ressourcen, so dass das Magazin weiterhin erscheinen konnte. Während einer tumultartigen Fragestunde im Bundestag am 7. November 1962 verteidigte Bundeskanzler Adenauer (CDU) die Maßnahmen. Den Grundsatz der Unschuldsvermutung missachtend, das Ergebnis der Ermittlungen bereits vorwegnehmend, sagte Bundeskanzler Adenauer im Bundestag: „Wir haben einen Abgrund von Landesverrat im Lande.“ Zwischenruf des Abgeordneten Seuffert (SPD): „Wer sagt das?“ Adenauers Antwort: „Ich sage das.“ Und weiter: „Wenn von einem Blatt, das in einer Auflage von 500.000 Exemplaren erscheint, systematisch, um Geld zu verdienen Landesverrat getrieben wird …“ Die weiteren Ausführungen gingen im lauten Protest der SPD unter.[9][10][11]

Demonstranten in Frankfurt am Main 1962: Auflehnung gegen Autoritätshörigkeit
Bild entnommen aus DER SPIEGEL Nr. 1./30.12.2021

Im Laufe des Novembers weitete sich die SPIEGEL-Affäre zu einer Regierungskrise innerhalb des Kabinetts Adenauer aus. Verteidigungsminister Strauß (CSU) hatte zunächst beteuert, mit der ganzen Aktion nichts zu tun zu haben, geriet aber im Laufe der Zeit immer stärker in Verdacht, im Detail über die Aktionen informiert gewesen zu sein und sie auch selbst vorangetrieben zu haben. Die FDP war darüber erbost, dass Justizminister Wolfgang Stammberger (FDP) im Vorfeld der Aktion nicht informiert worden war – auch hierfür trug Strauß die Verantwortung: Er hatte auf den Staatssekretär im Justizministerium Walter Strauß eingewirkt, Stammberger nicht zu informieren. Am 19. November erklärten alle fünf FDP-Minister ihren Rücktritt aus Protest gegen Verteidigungsminister Strauß. Am 30. November erklärte dieser schließlich seinen Verzicht auf das Amt des Verteidigungsministers, woraufhin es am 14. Dezember 1962 zur Bildung der fünften – und letzten – Regierung Adenauer kam, die nur bis zum 11. Oktober 1963 andauerte.

Siehe auch das Video von Karl-Eduard von Schnitzler. So wurde die SPIEGEL-Affäre in der DDR gesehen.

Die verhafteten SPIEGEL-Redakteure wurden nach und nach aus der Untersuchungshaft entlassen – Hans Schmelz, der den Hauptanteil der Recherchen beigesteuert hatte, nach 81 Tagen; zuletzt auch Rudolf Augstein nach 103 Tagen am 7. Februar.[13] Im Januar 1963 ermittelte die Bundesanwaltschaft im Gefolge der Ereignisse auch gegen den damaligen Hamburger Innensenator Helmut Schmidt wegen Beihilfe zum Landesverrat. Hintergrund war, dass Schmidt im Herbst 1962 der Bitte seines Studienfreunds Conrad Ahlers um Überprüfung von Auszügen des kurz vor der Veröffentlichung stehenden Artikels „Bedingt abwehrbereit“ auf strafrechtliche Veröffentlichungshindernisse nachkam.[14] Dieses Verfahren wurde erst Anfang 1965 eingestellt.

Am 13. Mai 1965 entschied der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, dass keine Beweise vorlägen, die einen wissentlichen Verrat von Staatsgeheimnissen durch Conrad Ahlers und Rudolf Augstein belegen würden. Vielmehr waren die im Artikel genannten militärstrategischen und waffentechnischen Details zum Großteil bereits zuvor in anderen Medien veröffentlicht worden, darunter einem offenen Bericht des Verteidigungsausschusses des Bundestages und in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Sie entsprachen „dem damaligen Stand der öffentlichen Unterrichtung“ und stellten keinen Erkenntnisgewinn für gegnerische Geheimdienste dar. Somit wurde die Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen Ahlers und Augstein abgelehnt.[15] Ein Disziplinarverfahren gegen Oberst Martin wurde eingestellt. Martin wurde zum 1. April 1969 mit 54 Jahren in den Ruhestand versetzt.

Der Spiegel-Verlag wollte durch das Bundesverfassungsgericht feststellen lassen, dass die Durchsuchungsanordnung und Beschlagnahme gegen die Pressefreiheit verstoßen habe. Bei Stimmengleichheit der Verfassungsrichter wurde die Verfassungsbeschwerde am 5. August 1966 zurückgewiesen (Spiegel-Urteil).[16]

Bereits kurz nach der Veröffentlichung des Berichts „Bedingt abwehrbereit“ wurde aus dem Umfeld der CSU die Ansicht geäußert, es handle sich um eine gezielte Aktion des sowjetischen Geheimdienstes KGB zur Diskreditierung des Antikommunisten Strauß. Die – in der Sache zutreffenden – Informationen über die Fallex-Übung seien dem Spiegel vom KGB über einen Mittelsmann zugetragen worden. Der in den Westen übergelaufene tschechoslowakische Geheimdienstoffizier Jan Šejna erklärte 1977 auf einer wissenschaftlichen Tagung in den USA, die SPIEGEL-Affäre sei „zweifellos“ das Ergebnis einer Geheimdienstkampagne der sozialistischen Länder gegen Strauß gewesen. Als der britische Geschäftsmann James Goldsmith diesen Verdacht in seiner Zeitschrift „NOW!“ publizierte, verklagte ihn der SPIEGEL-Verlag wegen übler Nachrede. Goldsmith legte Aussagen mehrerer KGB-Überläufer vor, die seine Version im Wesentlichen bestätigten, so etwa des früheren Agenten Ilya Dzhirkvelov.[18] Bereits ab 1960 sei Strauß auf Anweisung des damaligen ZK-Sekretärs für internationale Angelegenheiten, Boris Nikolajewitsch Ponomarjow, Ziel von Desinformationskampagnen gewesen, etwa durch die Anschuldigung, er sei Informant der CIA.[19] Auch der ranghöchste KGB-Überläufer in den Westen, Oleg Antonowitsch Gordijewski bestätigte eine Urheberschaft des sowjetischen Dienstes an der SPIEGEL-Affäre.[20] 

1984 kam es vor einem britischen Gericht zu einem Vergleich, in welchem Goldsmith zwar einräumte, der SPIEGEL habe nicht „wissentlich mit dem KGB kooperiert“. Ansonsten sah sich Goldsmith aber in seiner Version der Dinge bestätigt und veröffentlichte den vollen Text des Vergleichs über ganzseitige Anzeigen in mehreren deutschen und amerikanischen Tageszeitungen.[21] Der SPIEGEL räumte die Möglichkeit ein, unbewusst von der sowjetischen Seite instrumentalisiert worden zu sein, konnte aber den rufschädigenden Vorwurf abwehren, das Magazin sei in irgendeiner Form vom KGB gesteuert oder hätte mit ihm zusammengearbeitet.[22]

Die SPIEGEL-Affäre ist verfilmt worden. Es gibt auch viele Publikationen darüber. Anlässlich des 75jährigen Bestehens hat DER SPIEGEL selbst einen Artikel darüber aus heutiger Sicht veröffentlicht. (Siehe Download.)

Entnommen Wikipedia, bearbeitet von Petra Reichel

DER SPIEGEL Nr. 1/30.12.2021

DER SPIEGEL über die SPIEGEL-Affäre

Prägende politische Vorstellungen von Kurt Schumacher

Zentral für Schumachers politische Vorstellungen ist der Begriff des Volkes in seinen beiden Bedeutungsebenen: sowohl als Begriff für den dritten Stand, die ausgebeuteten und unterdrückten Massen, als auch im Sinne eines Staatsvolkes. Ein sowohl, als auch. Wischi-Waschi eben, wie es gerade gebraucht wird.

100-Pf-Briefmarke zum 100. Geburtstag (1995)
Bildquelle: Von German Federal Government – Von Radzuweit, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2435216

Kurt Schumacher wollte ein demokratisches und sozialistisches, ungeteiltes Deutschland, möglichst in den Grenzen von 1937.  Das „sozialistisch“ ist im Sinne von sozialdemokratisch gemeint und hat mit der sozialistischen Gesellschaftsordnung nichts zu tun. Deutschland in den Grenzen von 1937 war eine revanchistische Forderung in der alten BRD.

Deutschland sollte möglichst schnell seine Souveränität wiedererlangen und seinen Platz unter den freien Völkern Europas einnehmen. Zum Thema Patriotismus hatte Kurt Schumacher widersprüchliche Vorstellungen.  Ansonsten das übliche Bla Bla. Gemeint ist das kapitalistische Deutschland in einem kapitalistischen Europa.

Er stand in der Tradition der Revolution von 1848 und der Novemberrevolution von 1918, er kämpfte für einen unitarischen Verfassungsstaat, freie Wahlen, Parteiendemokratie, Parlamentarismus, die Überwindung des Obrigkeitsstaates und der kapitalistischen Klassengesellschaft. Gemeint ist die Theorie, dass der Staat über den Klassen stehen würde. Das hat nichts mit Abschaffung der Klassengesellschaft zu tun. Die Revolution von 1848 brachte zwar einige Fortschritte, doch erlitt sie eine Niederlage, die Novemberrevolution von 1918 wurde von der verräterischen Führung der Sozialdemokratie abgewürgt. Die damalige sozialdemokratische Führung vertrat die gleiche Richtung wie dann Kurt Schumacher. Der Rest sind schöne Worte der bürgerlichen Demokratie. Ja, es wurde sogar „links überholt“, um nach dem Krieg die Massen zu täuschen.

Für ihn war die SPD die einzige Partei, die weder durch den Faschismus noch durch den „Stalinismus“ belastet war. Die Sozialdemokraten seien deshalb als einzige in der Lage, ein freies Deutschland in ein freies Europa zu führen und so zum Spannungsabbau zwischen den Großmächten beizutragen.  Die Supermachttheorie hatte Kurt Schumacher angewandt, ohne zu differenzieren, welche Ziele die jeweilige Großmacht hatte. Faschismus und Sozialismus setzt er gleich und benutzt den antikommunistischen Kampfbegriff „Stalinismus“ Er beschrieb die spätere sozialdemokratische „Entspannungspolitik“.

Platte am Kurt-Schumacher-Denkmal, Berlin
Bildquelle: Von Lienhard Schulz – Von Lienhard Schulz in die deutschsprachige Wikipedia geladen., CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1353354

 

 

Schumacher war vom programmatischen Erbe der Bebelschen SPD geprägt. Für ihn war die Überwindung des Klassenkampfes eines der zentralen Politikziele. Seiner Meinung nach könne dies nur durch die Verstaatlichung der Schlüsselindustrien geschehen. Ebenso tief war er vom Scheitern der Weimarer Republik beeinflusst und meinte, eine der Ursachen dafür in der mangelnden Demokratisierung der Wirtschaft zu finden. Insbesondere im Nachkriegschaos plädierte er – ähnlich wie die Labour-Party in Großbritannien, aber auch bedeutende Teile der CDU – für eine Planwirtschaft, um die Versorgung der Bevölkerung mit dem Notwendigsten sicherzustellen. Das waren auch nur schöne Worte, um nach dem Krieg die Massen zu täuschen. Man bedenke, dass sogar die CDU  damals „links überholen“ wollte. Bald gerieten diese schönen Worte in Vergessenheit.

Kurt Schumacher prägte die antikommunistische Propaganda mit der Behauptung, dass die Kommunisten „rotlackierte Faschisten“ seien. Das ist ein Beitrag zur Gleichsetzung von Faschismus und Sozialismus.

Nach 1945, als die KPD wiedergegründet wurde, stellte Kurt Schumacher die Behauptung auf, dass die KPD ein „willenloses Vollstreckungsorgan“ der sowjetischen Außenpolitik wäre. Diese Behauptung hatte während der gesamten Zeit der Existenz der sozialistischen Länder Bestand.

Obwohl es in der SPD Stimmen gab, die ein Zusammengehen mit den Kommunisten befürworteten, und auch in anderen Ländern wie zum Beispiel Italien und Frankreich eine gemeinsame „antifaschistische Front“ von Kommunisten und Sozialdemokraten gebildet wurde, vollzog Schumacher bereits im Sommer 1945 eine klare Trennung von der wenige Monate später zur Vereinigung mit der KPD bereiten Parteiführung der SPD in der SBZ unter Otto Grotewohl. Die von ihm durchgesetzte Abgrenzung der SPD von den Kommunisten bestimmte die Partei bis in die 1970er hinein; erst diese Abgrenzung isolierte den organisierten Kommunismus von seinen wichtigsten Ansprechpartnern, der SPD und den von ihr dominierten Gewerkschaften, und verhinderte so seinen Einfluss auf die gesellschaftliche Mitte. 

Kurt-Schumacher-Platz, Berlin-Reinickendorf
Bildquelle: Von Lienhard Schulz – Von Lienhard Schulz in die deutschsprachige Wikipedia geladen., CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1368440

Schumacher ist außerdem Urheber der später von Adenauer übernommenen Magnettheorie.

Schumacher entlastete die Wehrmachtssoldaten und die Angehörigen der Waffen-SS von kollektiven Schuldvorwürfen und setzte sich für ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft ein, sofern sie keine Verbrechen begangen hatten.



Magnettheorie:

Die Magnettheorie ist eine von Kurt Schumacher (SPD) entwickelte politische Theorie für die westdeutsche Nachkriegspolitik. Kern der Theorie von 1946/47 ist der Gedanke, dass ein ökonomisch gestärktes Westdeutschland den Osten magnetisch anziehen und so zur gesamtdeutschen Einheit führen soll. Schumacher wollte ein internationales Gesamteuropa, das eine sozialistische Ökonomie( im Sinne von sozialdemokratisch) und eine demokratische Politik anstrebt, aber keinen antisowjetischen Westblock. Deutschland sollte sich weder am Osten noch am Westen orientieren. Was ein Wirrwarr, um die Bevölkerung zu täuschen. 

Neben den Anreizen einer „freien Gesellschaft“ sollte damit die Bevölkerung der DDR bewogen werden, in den Westen überzusiedeln. Hierdurch sah sich die Führung der DDR zur Errichtung des Antifaschistischen Schutzwalls in Berlin veranlasst, da vor allem junge, gut ausgebildete Menschen die DDR verließen und dort der Wirtschaft fehlten.

Nach anfänglicher Ablehnung griff Konrad Adenauer(CDU) den Kernpunkt dieser Magnettheorie auf, veränderte ihn selbst aber um einige Punkte. Adenauers Konzept fundierte nicht auf der reinen Magnetwirkung, sondern auf einer „Politik der Stärke“, die dem Westen Vorteile und Spielräume in Verhandlungssituationen mit den sozialistischen Staaten, in erster Linie derSowjetunion, einräumen würde. So sollten die Westzonen zu einem Bundesstaat (ohne dieSowjetische Besatzungszone) zusammengeschlossen werden. Die westdeutsche Wirtschaft sollte mit der französischen Wirtschaft verflochten werden, um die Ökonomie Westeuropas zu stärken. Damit nimmt die Theorie erste Ansätze zur Gründung der BRD und Europäischen Union vorweg.

In gewisser Weise kann die Magnettheorie als bestätigt angesehen werden, da der Widerstand der DDR-Bevölkerung gegen ihre Regierung stark von materiellen Wünschen („goldener Westen“) geprägt war, die die Probleme des Kapitalismus (Arbeitslosigkeit, soziale Differenzierung) in den Hintergrund treten ließen. Diese Politik führte bekanntlich 1989/90 zum Erfolg.

 

Da sieht man, dass Kurt Schumacher die BRD entscheidend geprägt hat. Darum wird er in der offiziellen Geschichtsschreibung als wichtige Figur dargestellt.

 

 

 

 

 

SPD-Vorsitzender Willy Brandt eröffnet die Kurt-Schumacher-Gedächtnis-Ausstellung im Erich-Ollenhauer-Haus, Bonn
Bildquelle: Von Bundesarchiv, B 145 Bild-F051380-0005 / Gräfingholt, Detlef / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5457429

Entnommen aus Wikipedia, bearbeitet von Petra Reichel

Passage zur Magnettheorie aus Wikipedia entnommen, bearbeitet von Petra Reichel

Kurt Schumacher

Kurt (amtlich Curt) Ernst Carl Schumacher wurde am 13. Oktober 1895 in Culm (damaliges Westpreußen) geboren und ist am 20. August 1952 in Bonn gestorben.

Geburtshaus Schumachers in Culm (heute Chełmno)
Bildquelle: Von Andreas Prause – Von Andreas Prause in die deutschsprachige Wikipedia geladen., CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1314123

Kurt Schumacher ist als Nachkriegspolitiker der SPD in den Westzonen, bzw. der BRD bekannt.

Kurt Schumacher (zwischen 1945 und 1948)
Bildquelle: Von US Army photographers on behalf of the OUSCCPAC or its successor organisation, the OCCW – http://forum.axishistory.com/viewtopic.php?f=45&t=98381, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=15767902

Von 1946 bis 1952 war er Parteivorsitzender der SPD sowie von 1949 bis 1952 Oppositionsführer im Deutschen Bundestag (alte BRD).

Kurt Schumacher war von 1945 bis 1949 maßgeblich am Wiederaufbau der SPD in Westdeutschland beteiligt und der große Gegenspieler Konrad Adenauers.

Auch wenn Schumacher langfristig mit seinen politischen Vorstellungen scheiterte, gehört er zu den Gründervätern der BRD. Er ist stets in der sowohl in der alten BRD sowie im heutigen Deutschland als historische Figur der Sozialdemokratie gelobt worden. Das fußt auf  seiner Ablehnung der Einheit der Arbeiterklasse, bzw. der Vereinigung derer Parteien. Er war eine wichtige Figur bei der Verhinderung der Vereinigung von SPD und KPD in den Westzonen.  Die imperialistischen Besatzungsmächte stellten sich schützend vor das Monopolkapital und den Großgrundbesitz. Das Potsdamer Abkommen führten sie nur teilweise und nicht in seinen wesentlichen Bestimmungen durch. Sie hemmten die Masseninitiative der antifaschistisch-demokratischen Kräfte und begünstigten gleichzeitig das Streben des deutschen Monopolkapitals, sich neu zu restaurieren. Gefördert wurde diese Entwicklung durch das Wirken der einheitsfeindlichen Kräfte unter der Leitung Schumachers, denen es gelungen war, die führenden Positionen in der sozialdemokratischen Partei der westlichen Besatzungszonen einzunehmen. Die Aktionseinheit der Arbeiterklasse ging dort nicht über den örtlichen Rahmen hinaus.

Siehe auch:

„Die Gründung der SED und ihre historische Bedeutung“

 

Durch diese Politik prägte Kurt Schumacher das Profil der Sozialdemokratie in der BRD.


 



 

Schumacher wurde als viertes Kind und einziger Sohn des evangelischen Kaufmanns Carl Schumacher und seiner Frau Gertrud geb. Meseck am 13. Oktober 1895 im damals westpreußischen Culm geboren. Der Eintrag im Standesamt lautete auf Curt Ernst Carl Schumacher. Sein Vater war nicht nur geschäftlich erfolgreich, sondern auch politisch aktiv. Der Anhänger der linksliberalen Deutschen Freisinnigen Partei übte für viele Jahre das Amt des Culmer Stadtverordnetenvorstehers aus; höchstwahrscheinlich (genaue Daten sind nicht überliefert) unterstützten ihn dabei auch die polnischen Abgeordneten. Die Schumachers hatten weitverzweigte verwandtschaftliche Beziehungen zur Führungselite der Stadt.

Seit 1911 war sein Vater auch Kreistagsabgeordneter, 1914 und 1917 vertrat er Culm bei den Verhandlungen des Reichsverbandes deutscher Städte. Kurt Schumacher las in dieser Zeit die „Sozialistischen Monatshefte“ – die Zeitschrift des revisionistischen Flügels der SPD – und den „März“, eine linksliberale, von Hermann Hesse und Ludwig Thoma herausgegebene Zeitschrift. Der Junge aus gutbürgerlichem Haus galt in der Schule als überzeugter Sozialdemokrat, litt aber unter der Vereinsamung, die eine solche Haltung innerhalb der westpreußischen Gesellschaft mit sich brachte.

In einem Selbstporträt, das Schumacher 1924 zur Bewerbung bei einem Doktorvater anfertigte, schrieb er:Mein Interesse für historische und politische sowie philosophische Dinge brachte mich sehr frühe dem Sozialismus nahe. Die üble und ungünstige Umgebung, die eine ostmärkische Kleinstadt für solche Interessen nun einmal ist, hat mich notgedrungen sehr frühzeitig zu einer Schablonisierung meiner Ansichten gebracht – spätestens seit meinem 15. Jahre zählte ich mich innerlich zur Sozialdemokratischen Partei. Allerdings fehlte diesen ‚Schablonen‘ dadurch manches ihrer Gefährlichkeit, dass ich durch die Lektüre Bernsteins (was mir heute etwas sehr sonderbar vorkommt) Sozialdemokrat im Parteisinn geworden bin.“ Die Prägung durch Eduard Bernstein prägten seine politische Richtung und seine antikommunistische Haltung sein ganzes Leben lang.

Bei der ersten möglichen Gelegenheit meldete sich Schumacher kurz nach Beginn des Ersten Weltkriegs am 2. August 1914 als Kriegsfreiwilliger – ohne zu ahnen, wie sich dies auf seine Schullaufbahn auswirken würde. Sein Entschluss fiel unter anderem aus der Überlegung, die Grenzstadt Culm sei in akuter Gefahr, Frontstadt und Opfer einer Belagerung zu werden. Er kehrte noch einmal kurz zur Schule zurück, um das Notabitur abzulegen.

Als Soldat wurde Schumacher bereits am 2. Dezember 1914 bei Bielawy westlich von Łowicz in Polen schwer verwundet, so dass ihm der rechte Arm amputiert werden musste. Der 1,85 m große Schumacher magerte in den folgenden Monaten von 72 auf 43 kg ab und litt an der Ruhr. Am 10. Oktober 1915 wurde Schumacher offiziell aus dem Militär entlassen. Für den Verlust seines rechten Arms erhielt er das Eiserne Kreuz zweiter Klasse sowie eine monatliche Rente von 33,75 Mark zuzüglich einer Kriegszulage von 15 Mark und der einfachen Verstümmelungszulage von 27 Mark.

Culm fiel nach dem Ersten Weltkrieg an Polen. Die Entscheidung war von heftigen Auseinandersetzungen innerhalb der Stadt begleitet. Teile seiner Familie zogen ins verbleibende Deutsche Reich, andere blieben in Polen. Schumacher erlebte die Ereignisse zum größten Teil vor Ort, da er gerade sein Referendariat am Amtsgericht Culm ableistete.

1915 begann er ein Studium der Rechtswissenschaft und der Nationalökonomie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Universität Leipzig und seit 1917 in Berlin. Auf die Zeit in Halle (Saale)und Leipzig angesprochen, äußerte er sich später laut seiner Mitarbeiterin und engen Vertrauten Annemarie Renger sowohl in politischer als auch persönlicher Hinsicht sehr zurückhaltend. (Annemarie Renger war von 1972 bis 1976 Bundestagspräsidentin und von 1976 bis 1990 Bundestagsvizepräsidentin.)

Kurt Schumacher beendete sein Studium 1919 mit dem juristischen Staatsexamen und wurde Mitarbeiter im Reichsarbeitsministerium. Da er in Berlin keinen Doktorvater fand, wurde er 1926 an der Westfälische Wilhelms-Universität Münster zum Dr. jur. promoviert. 

Schumachers Dissertation ist von vielen Kommentatoren als inhaltliche Bekenntnisschrift zur SPD aufgefasst worden. Die bis zur Novemberrevolution bekämpfte wurde zur tragenden Partei im Staat und musste mit dem Staatsapparat arbeiten. Schumacher versuchte, diese problematische Lage in seiner Dissertationsarbeit anzugehen. Darin stellte er die beiden Theoretiker der Sozialdemokratie, Ferdinand Lassalle und Karl Marx, nebeneinander, die für Schumacher „Haupttypen aller sozialistischen Politiker“ darstellten: Marx, der„den Staat aus dem Endziel hinwegphilosophiert“ habe, um den„Mythus des emanzipierten Individuums“zu schaffen, während Lassalle im „Arbeiterstaat“ das „höchste Menschheitsideal“ sehe. Schumacher entschied sich in der Situation eindeutig für die Sozialdemokratie als „Staatspartei“ – er beschrieb die seiner Ansicht nach bestehende Notwendigkeit der Eingliederung der Arbeiter „in das Staatsganze“, er forderte die Notwendigkeit „der Festigung der Staatsgesinnung und der Stärkung des Abwehrwillens, vor allem gegen Russland.“

In seiner Leipziger und Hallenser Zeit hielt Schumacher zur Partei Abstand. Die Städte waren Hochburgen der USPD, der damalige außerparlamentarische und auf den politischen Streik hin ausgelegte Politikstil stieß ihn ab.

1917 trat er in den SPD-nahen „Bund der Kriegsteilnehmer und Kriegsbeschädigten“ ein. 

Nach einem für Schumacher äußerst ungewöhnlichen mehrjährigen Zögern trat er am 8. Januar 1918, also noch zu Zeiten des Kaiserreiches und Monate vor der Novemberrevolution, in die SPD ein. Als Akademiker in der SPD gehörte er sowohl bei den Sozialdemokraten als auch in akademischen Kreisen einer deutlichen, auf beiden Seiten nicht eben beliebten Minderheit an. Während der Revolution war er, unter anderem zusammen mit Otto Braun, Mitglied des Berliner Arbeiter- und Soldatenrates. 1920 wurde die SPD auch sein Arbeitgeber: Er wurde politischer Redakteur der sozialdemokratischen Stuttgarter Zeitung „Schwäbische Tagwacht“. In Stuttgart fiel Schuhmacher als leidenschaftlicher Redner und früher Gegner der Faschisten auf. 1924 wurde er Stuttgarter Vorsitzender des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold. 1930 wurde er Vorsitzender der SPD in Stuttgart, dem mitgliederstärksten Kreisverband der württembergischen SPD.

Schon früh begann Schuhmacher sich mit den Faschisten und Kommunisten auseinanderzusetzen. Er lehnte beide entschieden ab und setzte sie gleich. Die Opfer=Täter-Theorie, eine typische antikommunistische Haltung und Propaganda. Kurt Schumacher war der Zeit voraus, gilt doch der Ursprung dieser Art antikommunistischer Propaganda die USA im Jahre 1946.

1924 wurde er Mitglied des Landtages von Württemberg. Hier war er seit 1928 Mitglied im Vorstand der SPD-Fraktion. 1931 schied er aus dem Landtag aus. 

Bei der Reichstagswahl am 20. Mai 1928 fehlten Schumacher wenige Stimmen; bei der Wahl am 14. September 1930 wurde er zum ersten Mal in den Deutschen Reichstag gewählt. 

Wie viele Zeitgenossen unterschätzte Schumacher den Faschismus lange Zeit. So war er noch im Februar 1933 davon überzeugt, dass der DNVP-Vorsitzende Alfred Hugenberg das eigentliche Machtzentrum der Regierung Hitler sei. Alfred Hugenberg hatte, wie in der alten BRD Axel Springer, die Macht über wichtige Presseerzeugnisse inne und war somit Meinungsmacher.

Schumacher gehörte auch nach den Reichstagswahlen vom 5. März 1933 weiterhin dem Reichstag an. Er war einer der wenigen Parlamentarier, die mit an der Rede Otto Wels‘ arbeiteten, mit der dieser das Nein der SPD zum Ermächtigungsgesetz formulierte. Die Kernaussage, „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht“, bestimmte Schumachers gesamtes Verhalten in der Zeit des Faschismus. Am 10. Juni plädierte er auf einer Sitzung der SPD-Reichstagsfraktion für die illegale Arbeit der Partei, ebenso am 19. Juni auf einer SPD-Reichskonferenz. Im Gegensatz zur Parteiführung, die glaubte, es könne nicht schlimmer werden als zu Zeiten von BismarckSozialistengesetz, war er Vertreter einer unnachgiebigen Haltung gegenüber den Faschisten. Vom 13. Juni 1933 an wurde Schumacher steckbrieflich gesucht.

Am 6. Juli 1933, gut zwei Wochen nach dem Verbot der SPD, wurde Schumacher in Berlin verhaftet, nachdem er an einem geheimen sozialdemokratischen Treffen im Schwarzwald teilgenommen hatte. Schumacher bekam die Chance, eine Verzichtserklärung auf politische Betätigung zu unterschreiben und sich damit seine Freiheit zu erkaufen. Er lehnte ab. Daraufhin wurde er über einen Zeitraum von neun Jahren, neun Monaten und neun Tagen in verschiedenen Konzentrationslagern gefangen gehalten, zunächst bis Dezember 1933 im KZ Heuberg, danach bis Juli 1935 im KZ Oberer Kuhberg in Ulm, anschließend im KZ Dachau und zeitweilig im KZ Flossenbürg.

Schumacher konnte zwar als Weltkriegsveteran auf eine leichte Rücksichtnahme hoffen, riskierte aber durch mehrfachen Widerspruch und sogar einen Hungerstreik mehrmals sein Leben. Er lehnte im Konzentrationslager jeglichen Kontakt zu kommunistischen Gefangenen ab, da er sie für mitschuldig an der Machtübernahme der Faschisten hielt. Selbst in dieser Situation war Kurt Schuhmacher in seine antikommunistische Haltung verbohrt. Die Opfer=Täter-Theorie behielt er selbst im KZ bei und stempelte Mit-Opfer zu Tätern. Dabei wäre es nötig gewesen, dass Opfer aller Couleur zusammenhalten. Doch Schuhmacher spaltete.

Am 16. März 1943 wurde er als schwerkranker Mann nach Hannover entlassen, wo er sich zwangsweise aufhalten musste. Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 wurde Schumacher vom 24. August bis 20. September 1944 erneut inhaftiert, zunächst im Gestapo-Gefängnis in der früheren Israelitischen Gartenbauschule Ahlem, später im KZ Neuengamme. Danach musste Schumacher sich weiterhin in Hannover aufhalten, bis die Stadt am 10. April 1945 durch alliierte Truppen befreit wurde.

Unmittelbar nach Kriegsende und der Befreiung Deutschlands vom Faschismus begann Schumacher mit dem Wiederaufbau der SPD. 

Bereits am 6. Mai 1945 – zu einem Zeitpunkt, als die Bildung politischer Parteien von der britischen Besatzungsmacht noch verboten war – wurde Schumacher von etwa 130 sozialdemokratischen Funktionären in Hannover zum lokalen Vorsitzenden gewählt.

Kurt Schumacher bewies im Nachkriegschaos großes organisatorisches Geschick und stieg in kurzer Zeit zur unangefochtenen Führungsfigur der Sozialdemokratie in den westlichen Besatzungszonen auf. Im Juli 1945 beauftragten elf westdeutsche Parteibezirke „den früheren Reichstagsabgeordneten Dr. Kurt Schumacher mit der organisatorischen und politischen Führung der Partei im gesamten Reich“. Schumacher agitierte heftig gegen die KPD und erklärte sie zur reinen Interessenvertretung einer „auswärtigen Macht“. Diese Macht nannte er stets Russland und sprach von einem „Zusammenstoß so ganz andersartiger Kulturen“. Damit wandte er sich gegen die damals auch in den Westzonen verbreiteten Bestrebungen zur Zusammenarbeit von Sozialdemokraten und Kommunisten.

Auf der Wennigser Konferenz vom 5. bis 7. Oktober 1945 wurde die SPD wiedergegründet.

Auf dem als erste zentrale Zusammenkunft von Sozialdemokraten bezeichneten Treffen kamen im Bahnhofs-Hotel Petersen in Wennigsen (Deister) Sozialdemokraten aus den SPD-Bezirken der Westzonen, Vertreter des Berliner Zentralausschusses der SPD (darunter Otto Grotewohl) für die Viersektorenstadt Berlin und die Sowjetische Besatzungszone (SBZ) sowie des Londoner Exilvorstands zusammen. Die britische Besatzungsmacht setzte jedoch durch, dass die Vertreter aus der britischen Zone und aus London getrennt von den anderen tagen mussten. Nur Schumacher durfte auf beiden Versammlungen sprechen. Erst nach einem heftigen Tumult ließ man auch Grotewohl als Redner zu. Die Versammlung beauftragte Schumacher mit der Leitung des Wiederaufbaus der SPD in den drei westlichen Besatzungszonen. Ende 1945 setzte Schumacher den endgültigen Bruch zwischen der SPD in den Westzonen und dem von Grotewohl geführten Berliner Zentralausschuss der SPD durch.

Am 10. Mai 1946, vier Wochen nach der von ihm heftig bekämpften Vereinigung von SPD und KPD zur SED in der Sowjetischen Besatzungszone, die in der BRD und im heutigen Deutschland stets als Zwangsvereinigung verkauft worden sind, bzw. werden, wurde Schumacher mit 244 von 245 Stimmen zum Parteivorsitzenden der SPD gewählt. Das Büro Dr. Schumacher in Hannover entwickelte sich zur faktischen Parteizentrale, seine Mitarbeiter wie Erich Ollenhauer, Annemarie Renger, Egon Franke (vom 22. Oktober 1969 bis 04. Oktober 1982 Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen – die BRD hat die DDR nicht als Ausland angesehen. Daher wurden diese Aufgaben nicht vom Außenministerium übernommen, dafür wurde ein eigenes Ministerium geschaffen. Vom 17. September bis zum 01. Oktober 1982 war Egon Franke Vizekanzler der BRD)Alfred NauHerbert Kriedemann und Herta Gotthelf bildeten das organisatorische Grundgerüst der SPD in den Westzonen.

Kundgebung in Iserlohn 1946
Bildquelle: Von Autor unbekannt – de:Bernd Faulenbach, de:Stefan Goch, Günther Högl, de:Karsten Rudolph, Uwe Schledorn: Sozialdemokratie im Wandel : der Bezirk Westliches Westfalen 1893–2001. 4. Auflage. Essen : Klartext, 2001 ISBN 3-89861-062-4, S. 196, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=76901758

Kurt Schumacher prägte die Partei zur sogenannten pluralistischen Volkspartei, weg von der Klassenpartei mit marxistischem Charakter. Für ihn war die SPD keine Arbeiterpartei, sondern eine Partei Freiheit und Gerechtigkeit. Die Arbeiter sollten eine gleichberechtigte Rolle im bürgerlichen Staat einnehmen. Da die Macht bei den Kapitalisten bleibt, ist das nur Theorie und wenn überhaupt, nur bedingt möglich. Einen Arbeiterstaat lehnte Schumacher ab. Durch den Einfluss von Kurt Schuhmacher ist die SPD in den Westzonen und später in der BRD beliebig geworden. Schade um die ehrlichen Sozialdemokraten an der Basis, die sich tatsächlich für die arbeitenden Menschen einsetzen.

Der autoritäre Führungsstil Schumachers wurde kritisiert. Er verlangte von den Mitgliedern der SPD eine eiserne Parteidisziplin und er war Verfechter des Fraktionszwanges. 

Schumacher lehnte 1946 das Angebot der Alliierten ab, Ministerpräsident Württemberg-Badens zu werden, da er sich nicht regional in seinen Aktionen beschränken wollte. Er wurde stattdessen im selben Jahr zum Vorsitzenden des Zonenbeirats in der Britischen Besatzungszone gewählt.

Bei der Bundestagswahl 1949 wurde Kurt Schumacher als Abgeordneter des Wahlkreises Hannover-Süd mit 55,1 % der dort abgegebenen gültigen Stimmen in den ersten Deutschen Bundestag gewählt. Bundesweit unterlag die SPD nach anfänglich gegenteiligen Prognosen mit 29,2 % der Stimmen gegenüber CDU/CSU, die 31,0 % der Stimmen auf sich vereinigen konnten.

Bundestagswahl 1949
Bildquelle: Von Benutzer:Nick-less – Eigenbau, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=23780528

Konrad Adenauer wurde erster Bundeskanzler und Kurt Schumacher als erster Oppositionsführer sein Gegenspieler im Bundestag. Im Gegensatz zur Praxis in der Weimarer Republik begriff er die Oppositionsrolle stets als konstruktiv. Die Opposition sollte nach Schumachers Meinung nicht in erster Linie die Regierung kritisieren, sondern selbst in der Lage sein, bessere oder zumindest gleichwertige Lösungsvorschläge zu liefern. Mit dieser parlamentarischen Stiländerung hinterließ er vielleicht sein wichtigstes Vermächtnis für das politische System der BRD.

Kurt Schumacher auf der 2-DM-Münze (1979–1993)
Bildquelle: Von Der ursprünglich hochladende Benutzer war Stefan Kühn in der Wikipedia auf Deutsch – Übertragen aus de.wikipedia nach Commons mithilfe des CommonsHelper., Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=12700815

Schumacher war unumstrittener Führer der SPD-Fraktion. Obwohl er mit dem Plan scheiterte, den Fraktionszwang in die Geschäftsordnung schreiben zu lassen, übte er ihn praktisch konsequent aus. Gerade aus der Weimarer Erfahrung heraus war er der Ansicht, das Parlament benötige ebenso wie eine handlungsfähige Regierung eine geschlossene Opposition, die in der Lage wäre, die Regierung zu übernehmen. So schuf er so erst das (inoffizielle) Amt des Oppositionsführers.

1949 kandidierte Schumacher bei den Wahlen zum Amt des Bundespräsidenten, unterlag aber dem FDP-Kandidaten Theodor Heuss, der auch von den Unionsparteien mitgetragen wurde. Diese Kandidatur Schumachers war aber nicht im Sinne eines Rückzuges aus der aktiven Politik hin zur Übernahme einer repräsentativeren Aufgabe zu verstehen. Indem er sich selbst zur Wahl stellte, beugte Schumacher immer lauter werdenden Forderungen aus Koalitionskreisen vor, einen SPD-Politiker an die Spitze des Staates zu wählen.

Kurt-Schumacher-Haus, Berlin-Wedding
Bildquelle: Von Lienhard Schulz – Von Lienhard Schulz in die deutschsprachige Wikipedia geladen., CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1353321

Am 02. August 1952 starb Kurt Schumacher in Bonn. Beigesetzt wurde er in Hannover auf dem Stadtfriedhof Ricklingen, wo sein Grab als Ehrengrab gepflegt wird. Seine Totenmaske wurde 2018 aus dem Nachlass Annemarie Rengers an die Gedenkstätte Deutscher Widerstand weitergereicht.

Entnommen Wikipedia, bearbeitet von Petra Reichel

Die Entstehung des Grundgesetzes der BRD

In allen Besatzungszonen formierten sich demokratische Kräfte gegen die Spaltungspolitik der Imperialisten. 1947 entstand eine ganz Deutschland erfassende Massenbewegung für die demokratische Einheit Deutschlands und einen gerechten Friedensvertrag, die sich gegen die drohende Spaltung richtete, die Volkskongressbewegung.

Sonderbriefmarke zur Tagung des 3. Volkskongresses (Sowjetische Besatzungszone 1949)

Bildquelle: Von scanned by NobbiP – scanned by NobbiP, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11583662

Die Westmächte sprengten die Londoner Außenministerkonferenz. Offenkundig nahmen sie Kurs auf die Bildung eines westdeutschen Speparatstaates. Unmittelbar nach Beginn der Londoner Außenministerkonferenz trat am 26. November 1947 der Parteivorstand der SED zusammen und beschloss den Aufruf zu einem deutschen Volkskongress für Einheit und gerechten Frieden“.

Vertreter der USA, Frankreichs, Großbritanniens, Belgiens, Luxemburgs und der Niederlande berieten 1948, obwohl sie keinerlei völkerrechtliche Kompetenz zur Behandlung der Deutschlandfrage besaßen – sie lag ausschließlich bei den vier Großmächten -, entscheidende Deutschland betreffende Fragen. Die nach dem Beratungsort benannten Londoner Empfehlungen enthielten u.a. den Anschluss der französischen Besatzungszone an die Bizone, die Bildung einer westdeutschen verfassungsgebenden Versammlung (Parlamentarischer Rat), den Erlass eines Besatzungsstatuts und die Einbeziehung der zusammenbeschlossenen drei westlichen Besatzungszonen in den Marshallplan. Die Londoner Empfehlungen waren die eigentliche Geburtsurkunde des westdeutschen Separatstaates. Seine Politik wurde von den Besatzungsmächten im Verein mit den reaktionären Kräften der deutschen Großbourgeoisie vorgezeichnet und auf die völlige politische, ökonomische und spätere militärische Einbeziehung in den imperialistischen Machtblock orientiert. Das war auch die Geburtsstunde des Grundgesetzes, der künftigen Verfassung dieses Separatstaates, mit der Die Spaltung Deutschlands besiegelt wurde.

Am 1. Juni 1948 erhielten die Ministerpräsidenten der Westzonenländer durch die drei Militärgouverneure den Auftrag, nach ihrer Weisung eine Separatverfassung auszuarbeiten, wozu sie sich auf der Koblenzer Konferenz vom 8-10 Juli 1948 bereit erklärten. Hier wurde auch der Beschluss gefasst, einen Parlamentarischen Rat zu gründen. In ihm sollten 65 Mitglieder arbeiten, die entsprechend der Bevölkerungszahl im Proporzverfahren (Wahlverfahren, nach der die Mandate entsprechend für jede Wahlliste abgegebenen Gesamtstimmenzahl verteilt werden, hier als Verhältniswahl) von den Länderregierungen gewählt wurden. Unmittelbar danach, im Juli/August 1948 trafen sich Mitglieder der Länderkabinette auf der Konferenz in zu Herrenchiemsee, um unter Ausschluss der Öffentlichkeit und unter Kontrolle der westlichen Alliierten den Entwurf einer Verfassung auszuarbeiten. Dieser sollte die Grundlage für die Verhandlungen im Parlamentarischen Rat sein.

parlamentarischer Rat
Am 8. Mai 1949 wird das Grundgesetz vom Parlamentarischen Rat in Bonn angenommen. picture-alliance / dpa – Bildarchiv
Bildquelle: Rosa-Luxemburg-Stiftung https://www.rosalux.de/publikation/id/40374/mehr-grundgesetz-wagen

 

Der parlamentarische Rat, dieses nicht durch demokratische Wahlen zustande gekommene Gremium, erarbeitete von August 1948 bis Mai 1949, wiederum unter Ausschluss der Öffentlichkeit und unter Kontrolle der westlichen Besatzungsmächte, das Grundgesetz der BRD. Der letzte Entwurf wurde vom Redaktionssauschuss hergestellt.

Parlamentarischer Rat 1948: Wegweiser zur Tagungsstätte und den Quartieren. (Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn)
Bildquelle: http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/die-anfaenge-der-bundesrepublik-deutschland-in-der-provisorischen-hauptstadt-bonn-19491950/DE-2086/lido/57d130731aba22.31860853

Am 8. Mai 1949 fand die Schlussabstimmung über das Grundgesetz statt. 53 Mitglieder votierten für ja, 12 lehnten das Grundgesetz – freilich unter sehr unterschiedlichen Motiven – ab. Die Vertreter der KPD, Max Reimann und Heinz Renner, lehnten die Separatverfassung entschieden ab und erklärten übereinstimmend: „Ich unterschreibe nicht die Spaltung Deutschlands.“

Am 12. Mai 1949 erfolgte die Zustimmung der drei Militärgouverneure, und die Länder stimmten ihm in der Zeit vom 16. Bis 22. Mai 1949 zu. Nach Artikel 145 Absatz 2 trat das Grundgesetz der BRD nach seiner Verkündung am 23. Mai 1949 in Kraft. Mit der Zustimmung zum Grundsetz machten die westlichen Alliierten mehrere Vorbehaltsrechte geltend. Insbesondere machten sie, bezugnehmend auf entsprechende Bestimmungen dieser Verfassung, den Vorbehalt geltend, dass Westberlin nicht durch die BRD regiert werden darf und dass es keinerlei stimmberechtigte Vertretung im Bundesrat hat.

Bildquelle: Gutenberg-Shop https://www.gutenberg-shop.de/grundgesetz-fuer-die-bundesrepublik-deutschland.html

Während hinter verschlossenen Türen über die Spalterverfassung debattiert wurde, organisierten die in der Volkskongressbewegung vereinten demokratischen Kräfte aller Besatzungszonen eine große Volksaussprache über die verfassungsrechtliche Gestaltung einer zukünftigen demokratischen Republik. Die Gründung der DDR war die Antwort der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten unter Führung der SED auf die reaktionäre, separatistische Politik der imperialistischen Kräfte im Bündnis mit den rechten Führern der Sozialdemokratie sowie der Gewerkschaften und mit Unterstützung der westlichen Besatzungsmächte.

Am 7. September 1949 konstituierte sich in Bonn der Bundestag, das Parlament der BRD. Mit der Bildung einer Koalitionsregierung aus CDU,CSU, FDP und DP, an deren Spitze als erster Bundeskanzler der BRD Konrad Adenauer stand, fand die Schaffung dieses imperialistischen Staates seinen Abschluss. Seine Gründung war ein offener und schwerwiegender Bruch der Abkommen der Antihitlerkoalition und verletzte zutiefst das Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes.

Bundesadler im Bundestag
Bildquelle: Deutscher Bundestag https://www.bundestag.de/besuche/architektur/reichstag/plenum

Unter dem Schutz der Westmächte schuf sich das Monopolkapital erneut einen zentralen staatlichen Machtapparat. Die imperialistische Bourgeoisie nutzte die Staatsmacht und die durch das Grundgesetz vorgezeichneten Herrschaftsstrukturen zur Restaurierung der sowie zu Schaffung eines Bollwerkes gegen die Sowjetunion, die anderen sozialistischen Staaten und antiimperialistische Bewegung in Westeuropa.

Entnommen aus „Staat und Recht in der Staatsbürgerkunde“, DDR 1987, bearbeitet von Petra Reichel

 

Original-Text aus dem Buch

 

Das Notstandsrecht (Notstandsgesetze)

Einen weiteren Verfassungsbruch stellte die Notstandsgesetzgebung dar, die gegen den Protest breitester Teile der Arbeiterklasse und der übrigen Bevölkerung der BRD durch den Bundestag mit dem17. Gesetz zur Ergänzung und Änderung des Grundgesetzes vom 24. Juni 1968 beschlossen wurde. Das Notstandsrecht besteht aus der in das Grundgesetz eingebauten Notstandsverfassung, den Notstandsgesetzen und Notverordnungen. Seine Regelungen versetzen die Bundesregierung in die Lage, bei angeblich „drohender Gefahr“ die Verfassung außer Kraft zu setzen, das Parlament auszuschalten, Bundeswehr und Bundesgrenzschutz(heute Bundespolizei) gegen die Bevölkerung einzusetzen, die Gewerkschaften zu eliminieren, die Zwangsarbeit einzuführen und wichtige Rechte und Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger aufzuheben oder einzuschränken.

 

Notstandsgesetze werden verabschiedet
Die Notstandsgesetze werden mit den Stimmen von CDU/CSU und einer Mehrheit der SPD verabschiedet
Bildquelle: Deutscher Bundestag

 

Was jedoch „drohende Gefahr“ ist, entscheidet die Bundesregierung oder in im Verfassungssystem überhaupt nicht vorgesehener „Ausschuss“. Damit ist jederzeit für die Errichtung einer Militärdiktatur oder einer anderen reaktionären Machtform des Monopolkapitals Tür und Tor geöffnet. Offensichtlich wurde an die finstersten deutschen Verfassungstraditionen des Artikels 48 der Weimarer Verfassung angeknüpft, der dem Faschismus den Weg zur Macht ebnete.

 

evangelische Pfarrer demosntrieren gegen Notstandsgesetze
Evangelische Pfarrer demonstrieren gegen Notstandsgesetze
Bildquelle: Deutscher Bundestag

Das Notstandsrecht bricht die Verfassung. Mit ihm wird der staatsmonopolistische Leitungs- und Lenkungsapparat perfektioniert, womit vor allem die wachsenden Widersprüche besser beherrscht werden sollen. Das Notstandsrecht richtet sich deshalb besonders gegen die Arbeiterklasse und alle anderen antiimperialistischen Kräfte. Gegen sie richtet sich auch die durch das Notstandsrecht vorgenommene Zusammenfassung aller politischen, ökonomischen und militärischen Potenzen der BRD für die Verwirklichung der Politik der herrschenden Monopolkräfte. Die im Rahmen der Notstandsgesetzgebung erlassenen Wirtschaftssicherstellungsgesetze ermöglichen es den großen Monopolen, in ihrem Interesse regulierend über den Staat in die Wirtschaft einzugreifen. Den Geheimdiensten der BRD wurden weitgehende Vollmachten zur Ausspionierung der Bevölkerung übertragen.

Studenten ist Westberlin demosntrieren gegen Notstandsgesetze
Studenten der „Freien Universität“ Westberlin demonstrieren gegen die Notstandsgesetze
Bildquelle: Deutscher Bundestag

Die Installierung des Notstandsrechtssystems vollzog sich gegen den breiten Widerstand demokratischer Kräfte und stellt einen weiteren Bruch der BRD-Verfassung dar.

 

Sternmarsch auf Bonn
Sternmarsch auf Bonn am 11. Mai 1968 als Protest gegen die Notstandsgesetzgebung der damaligen Großen Koalition
Bildquelle: Deutscher Bundestag

Entnommen aus „Staat und Recht in Staatsbürgerkunde“, DDR 1987, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text:

Das Notstandsrecht


Anhang:

Deutscher Bundestag:

Siehe da, der heutige Bundestag befasst sich auch damit und zeigt Bilder von den damaligen Protesten. Hier kann man auch die entsprechenden Dokumente abrufen.

 

DGB

Auch die Gewerkschaften lehnten die Notstandsgesetze ab, ließen sich aber „weichspülen“ und spalten.

Das Verbot der KPD

Mit dem KPD-Verbotsprozess leiteten die reaktionären imperialistischen Kreise der BRD den konzentriertesten und umfassendsten Kampf gegen Frieden und Demokratie ein. Offen ließ die BRD-Regierung im Prozess erklärend, dass sie sich in keine Weise an das Potsdamer Abkommen gebunden fühle, insbesondere seien die darin enthaltenen Verpflichtungen zur Demokratisierung des öffentlichen Lebens für sie nicht bindend

Der Antrag auf das Verbot der KPD war von der Bundesregierung schon im November 1951 gestellt worden, nachdem ihr durch ein politisches Sonderstrafgesetz der notwendige „juristische“ Spielraum eingeräumt worden war. Mit diesem 1. Strafrechtsänderungsgesetz wurde verfassungswidrig das Gesinnungsstrafrecht in der BRD und der außerordentlich dehnbare Begriff der „Gefährdung des Bestandes der BRD“ eingeführt. Das Gesetz erhob die Einschränkung demokratischer Rechte zum gesetzlichen Bestandteil imperialistischer Machtpolitik. Der unmittelbar nach seinem Inkrafttreten einsetzende Terror, die Verfolgung und Bestrafung von Kommunistinnen und Kommunisten, Demokratinnen und Demokraten, die gegen die Remilitarisierung und die Vertiefung der Spaltung Deutschlands eintraten, sollte das Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vorbereiten.

rote Robe
Rote Roben beim Bundesverfassungsgericht

Bildquelle: Fuchsbriefe

Vertreter der Bundesregierung im Karlsruher Prozess war Ritter von Lex, der 1933 im Reichstag Hitler Ermächtigungsgesetz zugestimmt hatte. Als Präsident des Gerichts fungierte der schwerbelastete Nazijurist Joseph Wintrich. Wie programmiert endete der Prozess mit der Erklärung der „Verfassungswidrigkeit“, der Anordnung zur Auflösung der KPD und der Einziehung ihres Vermögens.

Verbot der KPD, 1956

Polizisten bei einer Aktion gegen die KPD-Landesleitung Hamburg am 17. August 1956: Alle Bedenken verflogen Foto: Süddeutscher Verlag

Bildquelle: SPIEGEL Politik

Im Verbotsurteil wird der KPD vorgeworfen, sie sei eine Partei im Sinne des Artikels 21 Absatz 2 des Grundgesetzes und deshalb verfassungswidrig. Artikel 21 Absatz 2 lautet jedoch: „Parteien, die nach ihren Zielen oder Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig…“ 18

Zitatquelle aus Das Verbot der KPD

Nachweisbar hatte sich die KPD gegen die aggressive und reaktionäre Politik der imperialistischen Kreise in der BRD eingesetzt und die bürgerlich-demokratischen Prinzipien zu verteidigen gesucht. Aber gerade das war der Grund, der zu ihrem Verbot führte. Nicht neonazistische Parteien, Gruppen und Vereinigungen wurden Verboten, sondern die einzige Partei, die konsequent für Demokratie und Frieden kämpfte, die das Grundgesetz mit seinen bürgerlich-demokratischen Prinzipien verteidigte.

Es lebe die KPD

Bildquelle: PERSPEKTIVE

Das Verbotsurteil trug dazu bei, für lange Jahre in der BRD ein systemkonformes Parteiensystem zu schaffen. Mit einer riesigen Polizeiaktion wurde das Urteil durchgesetzt. Alle der KPD gehörenden Mandate in den Parlamenten gingen verloren. Die Politik der Stärke sollte vollendete Tatsachen schaffen. Das Urteil richtete sich gegen wichtige Arbeiterrechte, gegen Koalitions- und Streikrecht. In einer Erklärung des Parteivorstandes der KPD vom 17. August 1956 stellte die Partei fest: „Die KPD ist da, und die KPD bleibt da. So erfordert es das Interesse der Arbeiterklasse und des Volkes.“ Sie rief auf zur Aktionseinheit, zur Wiedereinsetzung ihrer verfassungsmäßigen Rechte und zur Verteidigung der Demokratie auf.

Das Verbot der KPD war ein weiterer schwerer Bruch des Grundgesetzes durch den BRD-Imperialismus.

Buch Staat und Recht Kopie 2

entnommen aus

„Staat und Recht in Staatsbürgerkunde“, DDR 1987,

bearbeitet von  Petra Reichel

Original-Text aus dem Buch „Staat und Recht in Staatsbürgerkunde„, DDR 1987

Das Verbot der KPD

Zitatquelle zu Zitat Fußnote 18 im Buch:

Zitatquelle aus Das Verbot der KPD

Die Berufsverbotepraxis

Berufsverboteduckmas

Bildquelle:
http://www.berufsverbote.de

 

 

Die Ministerpräsidenten der Länder der alten BRD beschlossen am 28. Januar 1978 „Grundsätze über den öffentlichen Dienst“, besser bekannt unter dem umgangssprachlichen Begriff „Radikalenerlass“.

Dieser „Radikalenerlass“ fand die ausdrückliche Zustimmung der Bundesregierung. Dieser ist die Grundlage dafür Kommunistinnen und Kommunisten, sowie andere demokratisch gesinnte Leute, die im öffentlichen Dienst (Staatsdienst) tätig sind, Berufsverbot zu erteilen. Durch die Wegnahme der Existenz der Betroffenen sind auch andere im öffentlichen Dienst tätigen eingeschüchtert worden. Sie haben es nicht mehr gewagt sich politisch zu engagieren. Dies ist von den Verantwortlichen mit einkalkuliert worden. Obwohl das Grundgesetz den Eingriff in die Grundrechte nur auf gesetzlicher Grundlage zulässt, ist hier der Eingriff in elementare Rechte und Freiheiten von Bürgerinnen und Bürgern auf vereinfachtem Wege per Erlass, unter Ausschaltung der Parlamente, erfolgt.

Nicht allein die 10 000 vom Berufsverbot seit 1972 direkt Betroffenen Personen und die Bespitzelung von über 2,5 Millionen Bürgerinnen und Bürgern haben die Besorgnis der demokratischen Öffentlichkeit erregt. Es ist auf Methoden reaktionärster Machtausübung zurückgegriffen worden. Politischer Druck, Drohung und Erpressung lasteten nicht nur auf den im öffentlichen Dienst Tätigen, sondern auch auf Anwärterinnen und Anwärter, Studierende und deren Angehörige haben sind vom Staat genötigt worden systemkonform zu handeln.

Berufsverbotsbetroffene

Bildquelle:
http://www.berufsverbote.de

 

Den Betroffenen von Berufsverboten ist Verfassungswidrigkeit vorgeworfen worden, dabei ist der „Radikalenerlass“ selbst verfassungswidrig. So verstößt er gegen Artikel 33 Absatz 2 und 3: „(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.                                                               (§) Der Genuss bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemanden darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

Zitat:

Zitiert nach..(Berufsverbotspaxis)

 

Gezwungenermaßen bekannte sich der Verfassungsgeber im Grundgesetz zu „unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten“ (Art. 1 Abs. 2) und zur Unantastbarkeit der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1), die zu achten und zu schützen Verpflichtung aller staatlichen Gewalt ist (Art. 1 Abs.1 Satz 2). Der Verfassungsgeber verpflichtete die Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung auf die Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht (Art 1 Abs. 3). Artikel 19 des Grundgesetzes bestimmt, dass in keinem Falle ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt eingeschränkt werden darf.

Die Berufsverbote sind daher nicht mit dem Grundgesetz vereinbar und verstoßen ganz offensichtlich gegen mehr als zehn einzelne Rechte und Freiheiten des Grundgesetzes.

Gegen diese verfassungswidrige Praxis entwickelte sich eine breite nationale und internationale Bewegung.

KundgebungLandtag-616x510

Bildquelle: Arbeitskreis Regionalgeschichte                                                                                                                                         https://ak-regionalgeschichte.de/2014/09/29/berufsverbote-in-den-1970er-und-80er-jahren/

 

Der frühere Konsens von CDU und SPD-Führung in der Berufsverbote-Frage ist von der SPD aufgekündigt worden. SPD-regierte Bundesländer haben die Berufsverbote-Praxis eingestellt.  Das ist der Erfolg der breiten Protestbewegung gegen die Berufsverbote und das mutige Auftreten von Berufsverbots-Betroffenen

So stellt sich die Geschichte des Grundgesetzes als eine Geschichte von Verfassungsbrüchen dar.

Wie die Kommunisten der BRD voraussagten, haben sie nun tatsächlich das Grundgesetz verteidigt.

Buch Staat und Recht Kopie 2

 

entnommen aus „Staat und Recht in Staatsbürgerkunde“, DDR 1981

bearbeitet von Petra Reichel

 

 

Interessante Links zum Thema

Arbeitskreis Regionalgeschichte

Aktuelles Berufsverbote(Berufsverbote.de)

 

 

 

Das RGW-Gebäude in Moskau

Das RGW-Gebäude, ein historisches Bauwerk

Die Trommler - Archiv

Das erste Hauptquartier des RGW war eine kleine Villa in der Gegend des späteren Kalinin-Prospekts, heute Neuer Arbat .

Dann zog das Sekretariat der internationalen Wirtschaftsorganisation der sozialistischen Länder in ein viergeschossiges Gebäude an der Petrowka, einer alten Moskauer Straße. Aber auch dort wurde es zu eng, als der RGW seine Tätigkeit entfaltete.

1967 wurde das neue 30geschossige Gebäude an der Moskwa fertiggestellt. Das RGW-Gebäude wurde gemeinsam von mehreren Bruderländern errichtet. Das Projekt stammt von Moskauer Architekten. Viele sowjetische Fachleute waren an seiner Verwirklichung beteiligt. Die Mauern wurden von polnischen Fachleuten montiert, die Seitenteile mit Keramikplatten aus Rumänien verkleidet. Fachkräfte aus der DDR montierten die elektrotechnischen Ausrüstungen und tschechoslowakische Kollegen die Schnellaufzüge.

RGW-Gebäude Geschichtsbuch RGW-Gebäude damals

Bildquelle: Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

Neben dem Hauptgebäude steht der leicht geneigte Zylinder der Konferenzhalle, deren Ausstattung aus Ungarn stammt. Bulgarische Fachkräfte haben den Sitzungssaal des RGW-Exekutivkomitees ausgestattet. Diese Säle sind…

Ursprünglichen Post anzeigen 173 weitere Wörter

Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (kurz: RGW)

Der RGW wurde 1949 als sozialistisches Pendant zum Marshallplan und zur Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) gegründet. Ebenso ist der RGW ein Pedant zur EU, bzw. den seinerzeitigen Vorgängerorganisationen. Er ist auch im Rahmen der Herausbildung des Kalten Krieges und der Zwei-Lager-Theorie zu sehen.

Flagge des RGW
Flagge des RGW

 

Bildquelle: Von Froztbyte – Eigenes Werk, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3323402

 

Der RGW wurde – wie das 1955 gegründete Militärbündnis Warschauer Vertrag – im Jahr 1991 infolge der Konterrevolution in den ehemals sozialistischen Ländern in Europa 1989 und des damit verbundenen Abrisses des Eisernen Vorhanges(„Eiserner Vorhang“, siehe Fulton-Rede von Churchill) aufgelöst.

Als Reaktion auf den Marshallplan wurde vom sowjetischen Außenminister Wjatscheslaw Molotow ein Plan entworfen, der die Staaten Osteuropas enger an die Sowjetunion binden sollte. Zunächst geschah dies politisch über die Kominform und dann auch wirtschaftlich über den RGW.[1] Das Gründungskommuniqué wurde am 25. Januar 1949 veröffentlicht,[2] nachdem zuvor am 18. Januar in Moskau Vertreter aus sechs sozialistischen Staaten das Protokoll zur Gründung unterzeichnet hatten.[3]Gründungsmitglieder waren neben der Sowjetunion die Länder Polen, Rumänien, Bulgarien, Ungarn und die Tschechoslowakei. Am 23. Februar 1949 trat Albanien dem Bündnis bei (dessen Mitgliedschaft später ruhte), am 29. September 1950 folgte die DDR (bis 1990).[4] Die Mongolei (6. Juli 1962), Kuba (1972) und Vietnam (1978) wurden später ebenfalls Mitglieder. Am 17. September 1964[5] trat Jugoslawien einigen Organen des RGW bei.

China (bis 1961) und Nordkorea hatten Beobachterstatus. Im November 1986 nahmen Delegierte aus der Demokratischen Republik Afghanistan, Angola, Äthiopien, der Demokratischen Volksrepublik Jemen (Südjemen), Laos, Mosambik und Nicaragua als Beobachter an einem Treffen teil.

25 Jahre RGW Briefmarke der DDR 1974
Briefmarke der DDR „25 Jahre RGW“

Bildquelle: Von Hochgeladen und Bearbeitet von –Nightflyer (talk) 19:46, 8 November 2010 (UTC) – Eigener Scan, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11997362

 

Am 16. Mai 1973 unterzeichnete Finnland ein Kooperationsabkommen mit dem RGW, 1975 folgten dann der Irak und Mexiko, Nicaragua 1984, Mosambik 1985. Angola, Äthiopien und die Volksdemokratische Republik Jemen folgten 1986 und Afghanistan 1987[6].

RGW im Jahr 1986Erklärung zu RGW 1986

Bildquelle: Von NuclearVacuum – BlankMap-World 1985.svg, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10776303

 

1991 scheiterte der Versuch, das sozialistische planwirtschaftliche System des RGW auf das marktwirtschaftliche System des Kapitalismus umzustellen. Mit der Auflösung der Sowjetunion löste sich auch der RGW am 28. Juni 1991 auf.


 

Aufgabe

Der RGW hatte zum einen die Aufgabe, eine bessere   wirtschaftliche Spezialisierung und Arbeitsteilung zwischen den sozialistischen Staaten zu erreichen und zum anderen eine allmähliche Angleichung der sehr unterschiedlichen wirtschaftlichen Bedingungen. Als Folge der arbeitsteiligen Spezialisierung entstand eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen der UdSSR und den anderen RGW-Staaten. Mit der Spezialisierung sollten höhere Stückzahlen erreicht und dadurch Kosten verringert werden (Synergie).

Die im Namen formulierte „gegenseitige Wirtschaftshilfe“ geschah vor allem dadurch, dass die wirtschaftlich verhältnismäßig starken Länder (Sowjetunion, DDR, Tschechoslowakei, Ungarn) die schwächeren (Bulgarien, Rumänien, Kuba, Mongolei und Vietnam) im Rahmen der sozialistischen ökonomischen Integration wirtschaftlich unterstützten. Gleichzeitig wurde damit eine ideologische Stärkung im Sinne des Marxismus-Leninismus verfolgt.

Der Außenhandel zwischen den Mitgliedern war durch mehrjährige bilaterale Verträge und einige multilaterale Verträge gekennzeichnet. Für die Koordinierung der langfristigen Wirtschaftspläne in der Sowjetunion (Fünfjahresplan, ab 1959 Siebenjahresplan) entstand ein bürokratischer Apparat, die Gosplan-Behörde, der auch für die Verknüpfung mit den Wirtschaftsplänen der anderen RGW-Staaten sorgte.

Obwohl vom System her nicht vorgesehen, war der Handel zwischen den Mitgliedern annähernd ausgeglichen, da es aufgrund der fehlenden Konvertibilität der Währungen wenig attraktiv war, Gläubigerpositionen im Außenhandel aufzubauen. Der Zahlungsverkehr wurde von der Internationalen Bank für wirtschaftliche Zusammenarbeit (IBWZ) abgewickelt, als RGW-Organ 1957 mit Sitz in Moskau gegründet. Zahlungsmittel waren Transferrubel und Goldreserven. Da die nationalen Preise politische Preise waren, eigneten sie sich nur wenig zur Festsetzung der Preise im Außenhandel. Deshalb wurden Durchschnittspreise des Weltmarktes als Grundlage verwendet.

Unter dem Dach des RGW kam es auch zu Standardisierungsbemühungen, so etwa am 23. Dezember 1968 zum Vertrag über ein Einheitliches System Elektronischer Rechentechnik (ESER), der auf die Entwicklung einer standardisierten Rechentechnik abzielte.[7]

Eine Unterorganisation des RGW war der Gemeinsame Güterwagenpark (OPW), der vom 1. Juli 1964 bis zum 31. August 1990 bestand.

 

Gemeinsame Projekte

Energiesektor

Auf der X. Tagung des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) im Dezember 1958 in Prag wurde der Bau der Erdölleitung Freundschaft beschlossen, die 1963 in Betrieb genommen wurde.

Auf der XXVIII. Tagung des RGW im Juni 1974 in Sofia wurde der Bau der Erdgastrasse Druschba beschlossen.

Mit dem Aufbau internationaler Pipeline- und Hochspannungsleitungsnetze fanden wichtige, auch politisch wirksame Vernetzungen statt.

 

Spezialisierung

Im Rahmen der Spezialisierung waren die einzelnen Staaten wie folgt für bestimmte Produkte zuständig:

  • UdSSR: Flugzeuge (Antonow, Iljuschin, Suchoi und Tupolew), schwere Diesellokomotiven (Lokomotivfabrik Woroschilowgrad, z. B. M62 und DR-Baureihe 130), U-Bahn-Wagen (Metrowagonmasch) und leistungsstarke Traktoren (Minsker Traktorenwerke)
  • DDR: landwirtschaftliche Maschinen und Transportausrüstungen, Schiffe (insbesondere Fischverarbeitungsschiffe), Reisezugwagen (Waggonbau Görlitz), Werkzeugmaschinen, Krane (Kranbau Eberswalde), Computer, Bergbaulokomotiven (Lokomotivbau Elektrotechnische Werke „Hans Beimler“ Hennigsdorf, z. B. EL 2)
  • ČSSR: Straßenbahnwagen (ČKD Tatra), Oberleitungsbusse (Škoda)
  • Ungarn: größere Omnibusse (Ikarus)

Ab 1976 musste die Deutsche Reichsbahn ihre mittelschweren Diesellokomotiven der Baureihe 119 dann von der Lokomotivfabrik „23. August“ aus Rumänien importieren

Geplant war auch ein Personenkraftwagen der unteren Mittelklasse als Gemeinschaftsprojekt der RGW-Staaten unter Federführung der DDR und der ČSSR, das so genannte RGW-Auto.

 

Problem

In der Anfangszeit gab es vor allem Probleme mit den Produktionskapazitäten, da die ausführenden Betriebe nicht auf gestiegene Produktionsmengen vorbereitet worden waren. Ein Dauerproblem war, dass die gelieferten Stückzahlen nie den benötigten Mengen entsprachen und zudem die Qualität einiger Produkte deutlich zu wünschen übrig ließ. So waren anfangs ca. 50 % der in Rumänien hergestellten Diesellokomotiven bei der Deutschen Reichsbahn nicht einsatzfähig.

Für die DDR bedeutete dies, dass einige Zweige des Fahrzeugbaus eingestellt werden mussten (u. a. Gothawagen T57), dafür entstanden Straßenbahnwagen wie der Rekowagen, Omnibusse wurden von der Firma Fritz Fleischer KG unter erschwerten Bedingungen weiterhin gebaut.

 

Organe (Institutionen)

Alle Hauptorgane des RGW konnten nur unverbindliche Empfehlungen beschließen. Jedes Mitgliedsland hatte nur eine Stimme, und bis 1967 galt das Einstimmigkeitsprinzip, später konnten sich die Mitgliedsländer auch bei einer Abstimmung enthalten.

 

Ratstagung

Die Ratstagung war formell das oberste Organ des RGW. Sie setzte sich aus den Delegierten aller Mitgliedsländern zusammen und trat in der Regel einmal pro Jahr zusammen, seit 1987 abwechselnd in der Hauptstadt des Vorsitzenden. Geleitet wurde eine Delegation vom Ministerpräsidenten eines Mitgliedslandes oder seinem Stellvertreter.

 

Exekutivkomitee

Treffen des Exekutivkomitees
Treffen des Exekutivkomitees

Bildquelle: Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=673864

 

Das Exekutivkomitee war das eigentlich entscheidende Organ, welches aus einem Stellvertreter des Regierungschefs eines jeden Mitgliedslandes bestand.

 

Sekretariat

Das Sekretariat bestand aus einem sowjetischen General-Sekretär, seinen nicht-sowjetischen Stellvertretern und weiterem Personal. Der Sitz des Sekretariats war Moskau. Die Gründung wurde auf der IV. Tagung des RGW am 26. und 27. März 1954 in Ungarn beschlossen.

 

Weitere Organe (Institutionen)

Weitere Organe waren Ständige Kommissionen (zuletzt zweiundzwanzig) und Komitees (sechs). Es gab sie seit 1957, doch wurden sie erst später zu Hauptorganen aufgewertet. Des weiteren gab es die Internationale Bank für wirtschaftliche Zusammenarbeit, die Internationale Investitionsbank sowie die Medunion.[8]

 

Das Ende der Mitgliedschaft der DDR im RGW

Die DDR hatte sich im Staatsvertrag vom 18. Mai 1990 über die „Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion“ gegenüber der BRD verpflichtet, ihr Wirtschaftssystem den Bedingungen der kapitalistischen Marktwirtschaft anzupassen. Damit war eine fortdauernde Mitgliedschaft im RGW nicht vereinbar.

Das Statut des RGW-Rates sah die Möglichkeit eines Austritts vor, der allerdings erst sechs Monate nach der Kündigung wirksam wurde. Die DDR-Regierung nahm zutreffend an, dass „mit Beendigung ihrer Existenz als Völkerrechtssubjekt auch ihre Mitgliedschaft im RGW automatisch erlöschen würde.“[9] Sie beabsichtigte daher, in Übereinstimmung mit Art. 54 lit. b des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge Konsultationen mit den Mitgliedsländern durchzuführen und danach die Regierung der UdSSR als Depositar der RGW-Statuts mit Verbalnote über die Beendigung der DDR-Mitgliedschaft zu unterrichten, verbunden mit der Bitte, die Mitgliedsstaaten hierüber zu informieren. Da die sowjetische Seite jedoch die Durchführung von Konsultationen ablehnte, kam es nicht zu diesem Verfahren.  Für Laien wenig verständliche Formalien, die hier aber der Vollständigkeit halber wiedergegeben werden. Man muss bedenken, dass in der UdSSR ebenfalls, wie in allen einstigen sozialistischen Ländern in Europa, die Konterrevolution wütete. Die UdSSR stand außerdem vor ihrem Zerfall.

Die Volkskammerpräsidentin Bergmann-Pohl als amtierendes Staatsoberhaupt erklärte am 2. Oktober 1990 den Austritt der DDR aus dem RGW und seinen Unterorganisationen mit Wirkung zum 3. Oktober 1990. Also der Tag, als die DDR durch die BRD annektiert wurde und der Kapitalismus als Sieger aus der gelungenen Konterrevolution hervorgegangen ist.

Die nun vergrößerte BRD hat die Abwicklung aller aus der bisherigen Mitgliedschaft entstandenen Forderungen und Verbindlichkeiten übernommen. Der Transferrubel-Verrechnungsverkehr mit den ehemaligen RGW-Ländern ist von der BRD nach der Annexion der DDR bis Ende 1990 aus Vertrauensschutzgründen fortgeführt worden.[10] Noch 2016 wurden aus dem Bundeshaushalt – wenn auch in geringem Umfang – Leistungen hierfür erbracht. Der Bund führt zu der Zeit immer noch Rechtsstreite zur Eintreibung von Rückforderungen.[11]

Zu der Vermögensposition der DDR gehört nach deutscher Auffassung auch der DDR-Anteil an dem Bürogebäude des RGW in Moskau. Es war mit den Beiträgen der Mitgliedstaaten finanziert worden, wovon die DDR 40 Millionen Rubel, etwa ein Sechstel der Baukosten, beigetragen hatte. Der Marktwert des Gebäudes mit 30 Stockwerken wurde Anfang der 1990er Jahre auf 250 bis 300 Millionen US-Dollar geschätzt. Die sowjetische, später russische Regierung hat diesen Anspruch bis heute nicht anerkannt. Da die DDR schon vor ihrem Ende als Rechtssubjekt den Austritt erklärt habe, sei keine Vermögensposition auf vergrößerte BRD übergegangen.[12]

 

 

RGW-Gebäude in Moskau
RGW-Gebäude in Moskau heute, jetzt Rathaus von Moskau 
Moscow City Hall, New Arbat St., Moscow River (Former COMECON Building)

 

Bildquelle: Von Foma – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10686053

 

RGW-Gebäude Geschichtsbuch
RGW-Gebäude damals

Bildquelle: Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

 

Siehe auch Das RGW-Gebäude im Schwesterblog DIE TROMMLER-ARCHIV.

 

Entnommen aus Wikipedia, bearbeitet von Petra Reichel