Die Tutzinger Rede von Egon Bahr

Die Tutzinger Rede ist am 15. Juli 1963 im Politischen Club der Evangelischen Akademie in Tutzing gehalten worden. Diese Rede von Egon Bahr ist unter dem Schlagwort „Wandel durch Annäherung“ bekannt geworden. Sie ist eine der wenigen öffentlichen Ankündigungen des Strategiewechsels der Politik der BRD gegenüber der DDR. „Wandel durch Annäherung“ ist wörtlich gemeint, wurde damals aber nicht so empfunden. Die Politik unter dem Schlagwort „Wandel durch Annäherung“ löste Hoffnungen aus. Diese waren jedoch trügerisch.

Anstelle der offensiven und auf Konfrontation setzenden Konzepte der 1950er Jahre setzte Bahr auf die aktive Verständigung mit der DDR, weil jede Änderung nur mit Zustimmung, aber nicht gegen den Willen der Regierung der DDR zu erreichen sei.

Inhaltlich bezog sich Egon Bahr, zu diesem Zeitpunkt Presseamtschef des Westberliner Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt, ausdrücklich auf die „Stategy of Peace“Rede von John-F.-Kennedy vom 10. Juni 1963 und deren Vorläufer im US-Wahlkampf 1960. Diese wiederum standen am Anfang einer internationalen „Entspannungspolitik“, die für Europa bereits nach der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalls 1961 einen Strategiewechsel im Kalten Krieg mit sich brachte. Daran knüpfte die „neue Ostpolitik“ von Willy Brandt an.

Der Strategiewandel der US-Außenpolitik begann bereits nach der versuchten Konterrevolution in Ungarn im Jahre 1956. Diese Ereignisse in Ungarn zeigten die Grenzen der offensiven Roll-Back-Politik auf. Dies war auch ein Grund, dass die USA Ruhe bewahrt haben, als am 13. August 1961 der antifaschistische Schutzwall errichtet wurde.

Schon im Februar 1961 hatte eine Studie im Auftrag des US-Senats zur „United States Foreign Policy in the U.S.S.R. and Eastern Europe“ festgestellt, dass alle Versuche des Westens, eine „Befreiung“ Ostmitteleuropas zu erreichen, ausnahmslos gescheitert seien. Im Gegenteil: Die Sowjets und die mit ihnen verbündeten Regierungen in Ostmitteleuropa seien sogar gestärkt worden. Die Überlegungen zu einer Fortführung der offensiven Politik bezogen sich zu diesem Zeitpunkt nicht oder kaum mehr auf Europa, sondern auf die „Dritte Welt“.

Kennedys Brief an Willy Brandt kurz nach der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalls machte deutlich, dass die Bewahrung des Status quo in Europa auch beinhalten werde, die Existenz zweier deutscher Staaten zu akzeptieren. Es wurde Ulbricht erlaubt..“, schreibt Willy Brandt im Rückblick, „..der Hauptmacht des Westens einen bösen Tritt vors Schienbein zu versetzen- und die Vereinigten Staaten verzogen nur verstimmt das Gesicht. (…) Was man meine Ostpolitik genannt hat, wurde vor diesem Hintergrund geformt.“ Brandt, Willy, Begegnungen und Einsichten. Die Jahre 1960-1975, Hamburg 1975, S. 17.)

So ergab sich in den ersten Jahren nach der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalls die verquere Lage, dass Westberlin schrittweise Verhandlungen mit Berlin/DDR aufnahm und damit im Gegensatz zu Bonn und der zwar bröckelnden, aber noch gültigen Hallstein-Doktrin geriet, nach der Beziehungen zu Berlin/DDR unerwünscht waren. Konrad Adenauers Formel, nach der die „Entspannung“ der „Wiedervereinigung“ folgen solle, setzte der seit Februar 1963 amtierende sozialliberale Westberliner Senat unter Brandt eine aktive Verständigungspolitik mit der DDR entgegen. Diese Westberliner Linie wurde wenige Monate später, am 15. Juli 1963, von Egon Bahr in seinem Vortrag in Tutzing vorgestellt.

Die „kommunistische Herrschaft“, so Bahr, solle nicht beseitigt, sondern verändert werden. Mit Bezug auf die Praxis der Rollback-Politik des letzten Jahrzehnts betonte Bahr, dass eine Politik des Alles oder Nichts in Zukunft ausscheide. „ Das Vertrauen darauf, dass unsere Welt die bessere ist, (..) die sich durchsetzen wird, macht den Versuch denkbar, sich selbst und die andere Seite zu öffnen und die bisherigen Befreiungsmöglichkeiten zurückzustellen.“  Jede Politik zu direkten Sturz der Regierung der DDR sei aussichtslos, und diese Einsicht bedeute eben auch, dass jede Änderung nur mit Zustimmung der dortigen Regierenden zu erreichen sei. Auch der Versuch, durch Abbruch sämtlicher politischer und wirtschaftlicher Verbindungen oder durch bewusste Verschärfung der Situation einen Zusammenbruch zu bewirken, habe sich in der Vergangenheit als der falsche Weg erwiesen, da Ulbricht aus Krisen immer gestärkt hervorgegangen sei. Daher sei der einzig erfolgversprechende Weg derjenige Kennedys, „dass Handel mit den Ländern des Ostblocks entwickelt werden soll, wie es möglich ist, ohne unsere Sicherheit zu gefährden“. Dabei könne das Ziel natürlich nicht sein, „..die Zone zu erpressen“. „Befreiung aus der kommunistischen Herrschaft“ blieb dennoch weiterhin das übergeordnete Ziel. Bahr sprach nicht zufällig davon, „..die bisherigen Befreiungsvorstellungen zurückzustellen“.

Jedoch sollte das sowjetische „Herrschaftssystem“ vor allem von innen aufgelöst werden. Verstärkte Handelsbeziehungen mit dem Osten, so die Überlegung, erhöhten den dortigen Lebensstandard und würden auf Dauer auch die Konsumwünsche und sonstigen Ansprüche in der Bevölkerung wachsen lassen. Dies wiederum zwinge die „Machthaber“ einerseits zu einem direkten wirtschaftlichen Wettbewerb mit dem Westen, andererseits wahrscheinlich auch zu immer größeren politischen Zugeständnissen im Inneren.

Das war Egon Bahr ankündigte, war zur damaligen Zeit im Koordinatensystem des Kalten Krieges revolutionär, auch wenn man sich auf die USA, die Führungsmacht des Westens, berief. Konservative sahen in dieser neuen Strategie „Verrat“. Sie erkannten nicht, dass nicht die direkte Konfrontation, sondern die indirekte Strategie der Weg zu Erfolg war.

Die „Entspannungspolitik“ hatte auch vernünftige Seiten, wie das Passierscheinabkommen im Jahre 1963. In Bonn setzte man noch weiterhin auf die Hallstein-Doktrin.

Die damalige große Koalition geriet ab 1966 auf deutsch-deutschem politischen Gebiet in Turbulenzen, weil Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger einerseits einen offiziellen Briefwechsel mit dem Vorsitzenden des Ministerrates der DDR, Willi Stoph, führte, andererseits aber – ebenso offiziell – darauf bestand, die DDR nicht als Staat anzuerkennen. Kritik gegenüber dieser Inkonsequenz kam insbesondere auch von der FDP, die ab 1969 mit der SPD die sozialliberale Koalition unter Willy Brandt bildete. „Aufgabe der praktischen Politik in den jetzt vor uns liegenden Jahren ist es..“, hieß es in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969, „…die Einheit der Nation dadurch zu wahren, dass das Verhältnis zwischen den Teilen Deutschlands aus der gegenwärtigen Verkrampfung gelöst wird.“ (Abgedruckt in Archiv der Gegenwart, Stankt Augustin 2000, S. 4880-4890; hier: S. 4881.)

Die Konsequenz des Strategiewechsels im Kalten Krieg in Europa waren Stellvertreterkriege in der „Dritten Welt“. Die von Kennedy erhoffte Verminderung der finanziellen Aufwendungen für den globalen Konflikt ergab sich daraus allerdings nicht zwangsläufig. Zwar führte die „Entspannungspolitik“ mittelfristig zu Abrüstungsverhandlungen und –verträgen, die den ungebremsten Ausbau bestimmter Waffensysteme zumindest zeitweilig verringerten. Aber die Rüstungen verlagerten sich zum einen regelmäßig auf die von den Vereinbarungen noch nicht erfassten Systeme. Zum anderen wuchsen die Ausgaben für die sogenannte passive Rüstung überproportional: Der Bau von Bunkern wurde in diesen Jahren auf beiden Seiten vorangetrieben. In den sozialistischen Ländern investierte man darüberhinaus verstärkt in den Ausbau des Sicherheitsapparates, um den unerwünschten Folgen der Annäherungen der Blöcke entgegenwirken zu können. Nun wissen wir, dass diese Investition erfolglos war.

Die Regierungen in den sozialistischen Ländern, insbesondere die Regierung der DDR sahen das Konzept des „Wandels durch Annäherung“ wie die „Neue Ostpolitik“ insgesamt mit einem lachenden und weinenden Auge. Der Nutzen für die DDR lag in der Anerkennung als Staat, die Gefahr in einer schleichenden Vereinnahmung. (So ist es ja schließlich gekommen.) Die SED jedenfalls sah damals die „Entspannungspolitik“, wie der damalige Außenminister der DDR, Otto Winzer, nach Bahrs Rede vermerkte, als „Aggression auf Filzlatschen“, die im schlechtesten Fall die seit der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalls mühsam erreichte innere Konsolidierung der DDR zerstören könne. Zitiert nach Bahr, Egon, Zu meiner Zeit, München 1996, S. 157.                 Otto Winzer hat Recht behalten.

Die Jahre vor dem Beginn der Verhandlungen um den Grundlagenvertrag zwischen der BRD und der DDR waren, aufgrund der berechtigten Skepsis, von einer deutlichen Verschärfung der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten gekennzeichnet. Ulbricht wollte die internationale Anerkennung der DDR, aber gelichzeitig sollte der Kontakt mit dem Klassenfeind im Westen möglichst gering bleiben. Auch bei anderen osteuropäischen Regierungen bleib das Misstrauen gegenüber der „Neuen Ostpolitik“ zu spüren, wenngleich aus anderen Motiven. Hier befürchtete man eine allmähliche Aufweichung der Gemeinschaft der sozialistischen Länder, zudem aber auch eine Annäherung zwischen der DDR und der BRD. Zu nah war noch die Erinnerung an den zweiten Weltkrieg. Später fielen die sozialistischen Länder doch auf die „Entspannungspolitik“ herein. In Bezug auf die DDR kam es mit dem Besuch von Willy Brandt bei Willi Stoph in Erfurt 1970 und mit der Ablösung von Walter Ulbricht durch Erich Honecker zur Änderung in Bezug auf die „Entspannungspolitik“.

Widerstand gegenüber der Politik „Wandel durch Annäherung“ gab es 1969 im Westen von konservativer Seite. Obwohl der neue Konservative US-Präsident Richard Nixon und sein Außenminister Henry Kissinger langfristig die „Entspannungsbemühungen“ fortsetzten, stärkte der Wechsel in Washington zunächst die dortigen Vertreter der Strategie der Konfrontation im Kalten Krieg. Die Möglichkeiten, die sich dadurch boten, nahmen auch die „Vertriebenenorganisationen“(Revanchistenverbände) der BRD intensiv wahr. Tatsächlich konnten sie nicht nur in der BRD, sondern auch bei rechtskonservativen Kongressabgeordneten der USA erfolgreich Stimmung gegen die „Entspannungspolitik“ von Willy Brandt machen.

Die Bemühungen, mit Hilfe von Organisationen aus den USA, die Verträge Willy Brandts mit den sozialistischen Ländern zum Scheitern zu bringen, waren aber letztlich erfolglos. Die konservative US-Administration zu Nixon und Kissinger bewegte sich bereits 1970 deutlich in Richtung der Ostpolitik von Willy Brandt. Störend war in Washington allerdings, dass die sozialliberale Koalition in Bonn fast ohne Rücksprache mit Washington in Verhandlungen mit den sozialistischen Ländern trat.

Gegen harte konservative Widerstände wurden 1973 vier Verträge zwischen der BRD auf der einen und der Sowjetunion sowie ihrer Verbündeten auf der anderen Seite geschlossen: der Gewaltverzichtsvertrag mit der UdSSR(12. August 1970), die Grundlagenverträge mit Polen(7. Dezember 1970) und der DDR(21. Dezember 1972) sowie der Vertrag über die Beziehungen mit der Tschechoslowakei(11. Dezember 1973).

Geht man davon aus, dass im Kalten Krieg ständig die Gefahr eines Nuklearkrieges präsent war, so war die „Entspannungspolitik“ einschließlich der obengenannten Verträge zunächst vernünftig. Doch unter allen Umständen wollte der Westen als Sieger aus dem Kalten Krieg hervorgehen, was ja schließlich gelungen ist. Die „Entspannungspolitik“ war die indirekte Strategie zum Sieg des Westens. Das ist bis heute Vielen nicht bewusst.

Sowohl John-F. Kennedys „Strategy of Peace“ wie Egon Bahrs „Wandel durch Annäherung“ beruhten auf der Magnettheorie als Teil der Liberation Policy, lehnten aber offensivere Formen der „Befreiung vom Kommunismus“ strikt ab. Dies erwies sich zumindest für Europa als erfolgreich.

Trotz „Entspannungspolitik“ kam der NATO-„Doppelbeschluss“, also die Stationierung von Atomraketen der USA in der BRD und die Ankündigung des SDI-Programms von westlicher Seite. Die Gefahr eines Atomkrieges rückte in greifbare Nähe. So wurden die sozialistischen Länder entscheidend geschwächt(totgerüstet). In der Sowjetunion war es möglich, dass Gorbatschow Karriere machen konnte und nach ganz oben aufstieg. Mit Sprüchen, wie „Neues Denken“ u.a. Unsinn mehr, wickelte er alle ein und weckte falsche Hoffnungen. Die innere Aufweichung der sozialistischen Länder trug nun Früchte. Gorbatschow war die Krönung dessen. Die Konterrevolution konnte nun marschieren.

Quellen- und Literaturhinweise

Bahr, E., Zu meiner Zeit, München 1996.
Becher, W., Zeitzeuge. Ein Lebensbericht, München 1990.
Brandt, W., Begegnungen und Einsichten. Die Jahre 1960–1975, Hamburg 1976. Kissinger, H., Memoiren 1968-1973, München 1979.
Schild, G., Wer gewann den Kalten Krieg? Reflexionen in der amerikanischen Literatur, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 43 (1995), S. 149-158.
Stöver, B., Der Kalte Krieg. Geschichte eines radikalen Zeitalters, München 2007. Stöver, B., Pressure Group im Kalten Krieg. Die Vertriebenen, die USA und der Kalte Krieg 1947-1990, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 53 (2005), S. 897-911. Summy, R., Salla, M. E. (Hg.), Why the Cold War ended. A Range of Interpretations, Westport 1995.
Westad, O. A. (Hrg.), Reviewing the Cold War. Approaches, Interpretations, Theory, London 2000.

 

Text von Bernd Stöver, bearbeitet von Petra Reichel

Anmerkung: Bernd Stöver ist einer der wenigen ehrlichen bürgerlichen Historiker.

 

Entnommen von der Website: „100(0) Schlüsseldokumente zur Deutschen Geschichte im20. Jahrhundert.“

Website zu Tutzinger Rede

 

 

 

Betreiber der Website: Bayrische Staatsbibliothek

Impressumg Bayrische Staatsbibliothek

 

PDF-Dokument von oben genannter Website, das als Vorlage dieses Beitrages ist.

Tutzinger Rede

 

Willy Brandt

Willy Brandt wurde als Herbert Frahm am 18. Dezember 1913 in der Lübecker Vorstadt St. Lorenz-Süd geboren. Brandts Geburt war nichtehelich. Nichteheliche Kinder galten früher als Schande. So wurde auch Brandts nichteheliche Geburt von Zeitgenossen vielfach als Makel angesehen. Politische Gegner benutzten seine uneheliche Geburt auch im Erwachsenleben, um ihn herabzusetzen. Er wehrte sich nicht dagegen, doch bekannte er, „Herkunft und üble Nachrede“ hätten ihm einen „Stachel eingepflanzt“. Noch im Bundestagswahlkampf 1965, in dem Brandt für die SPD gegen den CDU-Kandidaten Ludwig Erhard antrat, wurde dieser Umstand thematisiert.

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Brandts Geburtshaus in der Lübecker Meierstraße (2013)
Bildquelle:
Von Elisabeth S. Meyer-Lassahn – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Bild ist entsprechend verlinkt

 

Brandts Interesse für Politik ist auf seinen Stiefgroßvater Ludwig Frahm zurückzuführen. Frahm gehörte der SPD an, war zeitweise Vertrauensmann seiner Partei im Lübecker Stadtbezirk Holstentor-Süd und kandidierte 1926 und 1929 auf der SPD-Liste für die Lübecker Bürgerschaft. Brandt wurde 1925 Mitglied der Kinderfreunde, einer Kindergruppe der Falken, ab April 1929 der Sozialistischen Arbeiter-Jugend (SAJ), in der er als Mitglied der Lübecker Gruppe „Karl Marx“ mit Unterstützung Julius Lebers einen radikalen Kurs vertrat. 1928 wurde Brandt Bezirksvorsitzender der SAJ.

In diesem Umfeld betätigte sich Brandt seit 1927 regelmäßig publizistisch. Der „Lübecker Volksbote“, die örtliche SPD-Zeitung, die von Julius Leber redigiert wurde, druckte im Februar 1927 einen Aufsatz Brandts mit zwei Zeichnungen über eine Tageswanderung des Schülers mit Freunden zur Travequelle ab. Ab 1928 veröffentlichte Brandt Texte zu politischen Themen. Leber unterstützte Brandt und förderte zugleich sein politisches Engagement. Brandt erklärte später, Leber habe ihn in diesen Jahren entscheidend beeinflusst. Unter seiner Journalistentätigkeit litten die schulischen Leistungen. Ein Lehrer seiner Schule riet seiner Mutter im Jahr 1930: „Halten Sie Ihren Sohn von der Politik fern. Der Junge hat gute Anlagen. Aber die Politik wird ihn ruinieren“.

1930 trat Brandt der SPD bei. Ein Jahr später, im Oktober 1931 brach er mit Leber und der SPD, und warf der Partei – enttäuscht von ihrer Tolerierungspolitik gegenüber den Maßnahmen der konservativen Regierung des Reichskanzlers Heinrich Brüning – „Mutlosigkeit“ im Hinblick auf gesellschaftliche Veränderungen vor. Brandt schloss sich daraufhin der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) an. Diese hatte sich aus einer im Herbst 1931 von der SPD-Reichstagsfraktion abgespaltenen linkssozialistischen Gruppe zusammen mit anderen zwischen SPD und KPD positionierten Organisationen wie zum Beispiel der Rest-USPD um Theodor Liebknecht oder Ledebours Sozialistischem Bund als Partei der Einheitsfront konstituiert, um gegen die seit Beginn der Weltwirtschaftskrise verstärkte – in der Harzburger Front um NSDAP und DNVP verbündete – antidemokratische Rechte anzugehen. Brandt war Gründungs- und Vorstandsmitglied des Lübecker Ortsverbands der SAPD und übernahm in der Folgezeit auch zahlreiche organisatorische Aufgaben für die Gesamtpartei.

Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler Ende Januar 1933 und der nun beginnenden Zeit des Faschismus in Deutschland wurde die SADP verboten. Die Partei beschloss, unter den Bedingungen der Illegalität aus dem Untergrund im Widerstand gegen die Herrschaft des Faschismus weiterzuarbeiten.

Willy Brandt erhielt im März 1933 den Auftrag, die Ausreise des SAPD-Leitungsmitglieds Paul Frölich nach Oslo zu organisieren. Frölich wurde jedoch festgenommen, sodass Brandt dessen Aufgabe übernahm, in Oslo eine Zelle der Organisation aufzubauen. In dieser Zeit nahm er, der bis dahin noch unter seinem Geburtsnamen Herbert Frahm bekannt war, den „Kampfnamen“ Willy Brandt an, den er über sein weiteres Leben hinweg beibehalten sollte. Er emigrierte nach Dänemark und Norwegen und begann 1934 in Oslo ein Geschichtsstudium, das er jedoch wegen seiner publizistischen Tätigkeit für norwegische Zeitungen und seines politischen Einsatzes wenig vorantrieb und nicht zum Abschluss brachte. In Oslo leitete er auch die Zentrale des SAPD-Jugendverbandes SJVD. Ferner vertrat er den SJVD von 1934 bis 1937 beim Internationalen Büro revolutionärer Jugendorganisationen des Londoner Büros. Für den bis Sommer 1936 von den Faschisten im KZ Esterwegen inhaftierten Schriftsteller Carl von Ossietzky organisierte er von Norwegen aus die letztlich erfolgreiche internationale Kampagne zur Verleihung des Friedensnobelpreises, der Ossietzky 1936 rückwirkend für das Jahr 1935 zugesprochen wurde.

Im Auftrag Jacob Walchers, bis 1940 Leiter der SAPD-Auslandszentrale in Paris, reiste Brandt mit norwegischen Papieren unter dem Decknamen Gunnar Gaasland im September 1936 als Kurier nach Deutschland, wo er sich bis Dezember des Jahres aufhielt, um Verbindung mit SAPD-Genossen im Untergrund aufzunehmen und den Widerstand vor Ort mit den Aktivitäten der SAPD im Ausland abzustimmen. Nach außen war er als Journalist in Berlin tätig und sprach dabei Deutsch mit norwegischem Akzent. Der richtige Gunnar Gaasland war ab 1936 mit Gertrud Meyer, Brandts Lübecker Jugendfreundin, verheiratet, die ihrem langjährigen Gefährten im Juli 1933 nach Norwegen gefolgt war. Die Ehe mit Gaasland bestand auf dem Papier und gab „Trudel“, die bis 1939 mit Brandt zusammenlebte, die norwegische Staatsangehörigkeit. Gaasland stellte Brandt seinen Namen zur Verfügung und blieb in Norwegen.

Brandt war 1937 für mehrere norwegische Zeitungen Berichterstatter im Spanischen Bürgerkrieg(naional-revolutionärer Krieg in Spanien), in dem er den Kampf der linkssozialistischen POUM gegen die drohende Militärdiktatur der Falange unter dem putschenden General Franco unterstützte. Am 16. Juni entging er durch seine Rückkehr nach Oslo einer in Barcelona durchgeführten Verhaftungswelle. Am selben Tag war die POUM verboten worden. Die von Stalin beeinflusste PCE und die POUM standen im Kampf gegen Franco zunehmend in militärischer und politischer Konkurrenz zueinander.

Am 5. September 1938 wurde er von der faschistischen Regierung ausgebürgert und wurde staatenlos. Deswegen bemühte er sich um die norwegische Staatsbürgerschaft. Während der deutschen Besetzung Norwegens im Zweiten Weltkrieg geriet er 1940 vorübergehend in deutsche Gefangenschaft. Da er aber bei seiner Ergreifung eine norwegische Uniform trug und nicht enttarnt wurde, konnte er nach seiner baldigen Freilassung nach Schweden fliehen. In Stockholm gründete er zusammen mit zwei schwedischen Journalisten eine schwedisch-norwegische Presseagentur, die 70 Tageszeitungen in Schweden belieferte.

Im August 1940 wurde ihm von der Botschaft in Stockholm die norwegische Staatsbürgerschaft zugesprochen. Bis zum Ende des Krieges blieb er in Stockholm, wo er gemeinsam mit August Enderle federführend an der Wiederannäherung der SAPD-Exilanten an die SPD mitarbeitete.

Zusammen mit Martin Tranmæl, Torsten Nilsson, Henry Grünbaum, Fritz Bauer, Joachim Israel, Ernst Paul, Fritz Tarnow, Gunnar und Alva Myrdal, Stefan Szende und Bruno Kreisky war er an der Formulierung der „Friedensziele der demokratischen Sozialisten“ im März 1943 beteiligt, in denen Überlegungen zur europäischen Nachkriegsordnung publiziert wurden, die u. a. das Selbstbestimmungsrecht aller Nationen im Rahmen einer internationalen Rechtsordnung fordern. Mit Bruno Kreisky, dem späteren österreichischen Bundeskanzler, war er bis zu dessen Tode freundschaftlich verbunden und hielt im August 1990 die Grabrede bei Kreiskys Beerdigung.

Nach der Befreiung vom Faschismus 1945 kehrte Brandt als Korrespondent für skandinavische Zeitungen nach Deutschland zurück und berichtete über die Nürnberger Prozesse. Nachdem er am 20. Mai 1946 mit einer Rede in Lübeck über „Deutschland und die Welt“ Zustimmung der dortigen Sozialdemokraten erfahren hatte, stand im Sommer 1946 nach einem Gespräch mit Theodor Steltzer Brandts Rückkehr nach Lübeck zur Diskussion. Er sollte als Nachfolger von Otto Passarge Bürgermeister seiner Mutterstadt, wie er Lübeck nannte, werden. Nachdem ihm der norwegische Außenminister Halvard Lange vorschlug, als Presseattaché an die Norwegische Militärmission nach Berlin zu gehen und der norwegischen Regierung aus der Stadt vom beginnenden Kalten Krieg zu berichten, entschied er sich gegen seine Geburtsstadt, denn „Lübeck kam mir ein wenig eng vor“, nach seinen internationalen Erfahrungen seit der Emigration. Seiner Geburtsstadt blieb Brandt jedoch eng verbunden. So schloss er Wahlkämpfe bis hin zu Kommunalwahlkämpfen stets am Vortag der Wahl mit einer Kundgebung in Lübeck ab.

Den Decknamen Willy Brandt, den er sich 1934 zugelegt hatte, nutzte er ab 1947 dauerhaft. 1949 ließ er ihn als offiziellen Namen vom Polizeipräsidium Berlin anerkennen.

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Einbürgerungsurkunde vom 01. Juli 1948

 

Bildquelle:
Von Foto: Sir James, taken 2013-10-12 – Willy-Brandt-Forum, Unkel, Germany, Gemeinfrei,Bild ist entsprechend verlinkt

Willy Brandt begann seine Karriere in der BRD und Westberlin 1949 als Westberliner Abgeordneter der SPD im ersten Bundestag der BRD. Auch im zweiten Bundestag der BRD von 1953 bis 1957 und dem vierten Bundestag der BRD, allerdings nur für wenige Wochen 1961, gehörte Willy Brandt als Westberliner Abgeordneter an. Von der Bundestagswahl 1969 bis zu seinem Tode im Jahre 1992 saß er für Nordrhein-Westfalen im Bundestag.

Am 03. Dezember 1950 wurde Willy Brandt auch in das Abgeordnetenhaus von Westberlin gewählt. Am 03. Oktober 1957 wurde er Regierender Bürgermeister von Westberlin. Brandt wurde zweimal – 1958 und 1963- wiedergewählt und bildete trotz absoluter Mehrheiten für die SPD Koalitionsregierungen(Senat Brandt I, II, und III). Er hatte das Amt bis Dezember 1966 inne, als er in die Bundesregierung eintrat und daraus als Regierender Bürgermeister von Heinrich Albertz abgelöst wurde.

In Brandts Westberliner Jahre fielen die versuchte Konterrevolution in Ungarn 1956, die Berlin-Krise 1958 und die Errichtung des Antifaschistischen Schutzwalls 1961.

In seiner Funktion als Regierender Bürgermeister war Brandt vom 01. November 1957 bis zum 31. Oktober 1958 turnusmäßig Bundesratspräsident.

Willy Brandt war in den späten 1950er Jahren ein Bewunderer John F. Kennedys.

Willy Brandt schätzte das dynamisch-moderne Auftreten John F. Kennedys. Er lernte Kennedy bei einem Besuch in Washington kennen, den er in seiner Funktion als Regierender Bürgermeister von Westberlin wahrnahm. Während des Bundestagswahlkampfes 1961 versuchte Brandt, sich als junge, moderne Alternative von dem inzwischen 85-jährigen Adenauer abzusetzen. Er nahm Kennedy als Vorbild, doch Kritiker meinten, dass er Kennedy auf „peinliche Weise kopiert“ hätte. Nach Kennedys vernünftiger Reaktion auf die Errichtung des Antifaschistischen Schutzwalls distanzierte sich Brandt zunächst von dem amerikanischen Präsidenten. Er erfuhr allerdings zwei Jahre später am 26. Juni 1963 bei Kennedys Besuch in Westberlin „größtmögliche Unterstützung und Anerkennung“. Zuvor hatten Differenzen zwischen dem Regierenden Bürgermeister und dem Bundeskanzler darüber, wer Kennedy als Erster die Hand schütteln und wer bei der Stadtrundfahrt neben ihm sitzen dürfe, ihre gegenseitige Abneigung deutlich werden lassen. Brandt begrüßte seinen Gast vor dem Rathaus Schöneberg mit den Worten: „Wir grüßen nicht nur das Amt, wir grüßen auch den Mann.“ Dann hielt Kennedy seine eingehend vorbereitete Rede mit dem zweimaligen Bekenntnis: „Ich bin ein Berliner“.

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Willy Brandt mit John F. Kennedy und Konrad Adenauer am 26. Juni 1963 in Westberlin

Bildquelle: Von Philip R Hunt – {Philip R Hunt}, CC BY 3.0, Bild ist entsprechend verlinkt

 

Bei der Bundestagswahl 1961 trat Brandt erstmals als Kanzlerkandidat seiner Partei gegen den damals 85 Jahre alten Konrad Adenauer an. Adenauer spielte am 14. August 1961, einen Tag nach der Errichtung des Antifaschistischen Schutzwalls, bei einer Wahlveranstaltung in Regensburg, als er von seinem Gegenkandidaten als „Brandt alias Frahm“ sprach, auf dessen Jahre im Exil an, doch wurde der Ausdruck auch als Hinweis auf seine nichteheliche Geburt verstanden. Am 16. August benutzte Adenauer diese Formulierung in Bonn noch einmal. Franz Josef Strauß hatte bereits im Februar 1961 in Vilshofen unter Anspielung auf Brandts Exiljahre, die immer wieder zum Anlass für persönliche Angriffe bis hin zum Vorwurf des Vaterlandsverrats genommen wurden.

1962 übernahm Brandt auf Initiative von Herbert Wehner den stellvertretenden Parteivorsitz, 1964 als Nachfolger des verstorbenen Erich Ollenhauer den Bundesvorsitz der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, den er bis 1987 innehatte. Bei der Bundestagswahl 1965 unterlag er Bundeskanzler Ludwig Erhard, woraufhin er sich enttäuscht vorübergehend von der Bundespolitik zurückzog und eine weitere Kanzlerkandidatur ausschloss. In dieser Zeit war er der wohl umstrittenste Politiker der BRD. Besonders verbitterte ihn, dass er aufgrund seiner Vergangenheit diffamiert wurde, während früheren Faschisten ihre Vergangenheit verziehen wurde. Immer wieder griff die konservative Presse Brandts Vergangenheit auf und legte sie gegen ihn aus. Zu den bekannten Vorwürfen kam im Wahlkampf 1961 die Instrumentalisierung seines Privatlebens in der öffentlichen Auseinandersetzung hinzu.

Brandt litt auch an den Diffamierungen vor der Bundestagswahl am 19. September 1965 und an der verlorenen Wahl. Auf dem SPD-Parteitag im Juni 1966 wurde er mit 326 von 426 Stimmen wiedergewählt

Nach Erhards Rücktritt am 1. Dezember 1966 wurde Kurt Georg Kiesinger (CDU) zum Bundeskanzler gewählt, der eine Große Koalition mit der SPD bildete. Willy Brandt trat von seinem Westberliner Amt zurück, übernahm das Amt des Außenministers und wurde Stellvertreter des Bundeskanzlers (Kabinett Kiesinger). Er bezog im Frühjahr 1967 eine Dienstvilla am Bonner Venusberg, in der er mit seiner Familie sieben Jahre lang wohnte.

Nach der Bundestagswahl im September 1969 bildete Willy Brandt gegen den Willen von Herbert Wehner und Helmut Schmidt, die eine Fortsetzung der Großen Koalition vorgezogen hätten, eine Koalition mit der FDP. Die sozialliberale Koalition verfügte über eine Mehrheit von nur zwölf Stimmen. Der Bundestag wählte Brandt im Oktober 1969 zum vierten Bundeskanzler in der Geschichte der BRD. Stellvertreter des Bundeskanzlers und Außenminister wurde Walter Scheel (FDP).

Brandts Amtszeit war verbunden mit dem Motto „Wir wollen mehr Demokratie wagen“ und dem Stichwort der „Neuen Ostpolitik“. Unter der Losung „Wandel durch Annäherung(Egon Bahr) propagierte man Hoffnung auf Frieden und Abmilderung des Kalten Krieges. Doch es war nur eine andere Art des Kalten Krieges, die mit der indirekten Strategie letztendlich erfolgreich war, während die direkte Konfrontation gescheitert war. Die Westmächte unterstützten diese Politik, weil auch deren Vertreter sahen, dass die indirekte Strategie der Weg zum Erfolg war.

Der weltweit beachtete Kniefall von Wahrschau am 07. Dezember 1970 am Mahnmal des Ghetto-Aufstandes von 1943 war ein Signal der Vernunft, leitete aber auch die indirekte Strategie des Kalten Krieges unter dem Motto „Neue Ostpolitik“ ein. Es folgten die Ostverträge mit Polen und der Sowjetunion und der Grundlagenvertrag mit der DDR.

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Brandt mit Willi Stoph in Erfurt (1970)
Bildquelle: Von Bundesarchiv, B 145 Bild-F031406-0017 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de,  Bild ist entsprechend verlinkt

 

 

1970 hatte sich Willy Brandt in Erfurt mit dem Vorsitzenden des Ministerrates der DDR Willi Stoph zunächst zum deutsch-deutschen Gipfeltreffen in Erfurt im „Erfurter Hof“ und dann in Kassel getroffen.                                                                                                                    Es folgte ein Abkommen mit der Tschechoslowakei. Dieser „Neue Ostpolitik“ setzte Willy Brandt gemeinsam mit Walter Scheel gegen den Widerstand der CDU/CSU-Opposition durch, die noch auf die Strategie der direkten Konfrontation setzte.

Gleichzeitig ging es um innenpolitische Reformen in der Sozial-, Bildungs- und Rechtspolitik. Diese wurden aber nur teilweise realisiert.

In die Regierungszeit Brandts fiel auch die Ölkrise von 1973.

Der „Radikalenerlass“ wurde in der Regierungszeit Brandts eingeführt. D.h., dass DKPMitglieder, die im öffentlichen Dienst beschäftigt waren Berufsverbot bekamen oder mit Berufsverbot bedroht wurden. Von „mehr Demokratie wagen“ war nun keine Rede mehr. Nach dem unseligen KPD-Verbot sind Kommunistinnen und Kommunisten nun in ihrer Existenz bedroht worden.

Vom Amtsantritt der Regierung Brandt bis zu Jahr 1972 waren so viele Abgeordnete von der SPD zur Unionsfraktion gewechselt, dass die CDU/CSU-Fraktion rein rechnerisch über eine knappe Mehrheit verfügte.

Der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Rainer Barzel glaubte daher im April 1972, Willy Brandt mittels eines konstruktiven Misstrauensvotums ablösen zu können. Doch für seine Wahl zum Bundeskanzler fehlten zwei Stimmen. Es heißt, dass mindestens zwei Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion vom MfS (Geheimdienst der DDR)bestochen worden wären.

Da die SPD/FDP-Fraktion über keine handlungsfähige Mehrheit mehr verfügte, stellte Brandt im September 1972 die Vertrauensfrage, bei welcher sich absprachegemäß die Bundesminister enthielten, so dass die Vertrauensfrage nicht positiv beantwortet wurde und Bundespräsident Gustav Heinemann im Sinne der Absichten Brandts den Bundestag auflösen konnte.

Bei den Neuwahlen im November 1972 wurde die Regierung Brandt bestätigt und verfügte nunmehr über eine handlungsfähige Mehrheit im Bundestag. Die SPD wurde mit 45,8 % der Stimmen erstmals stärkste Bundestagsfraktion, ein Ergebnis, das auch im Ausland als Volksabstimmung über die Ostverträge verstanden wurde, für deren parlamentarische Ratifizierung jetzt der Weg frei war.

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Brandt und Walter Scheel nach der gewonnenen Wahl, mit Horst Ehmke und Egon Bahr (1972)

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Von Bundesarchiv, B 145 Bild-F038347-0030 / Schaack, Lothar / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, Bild ist entsprechend verlinkt

Die gewonnene Bundestagswahl 1972 stellte zwar den politisch größten Erfolg Brandts dar, jedoch ging es nun abwärts.

Dennoch kam der Rücktritt Brandts in Zusammenhang mit der Guillaume-Affäre für die Öffentlichkeit überraschend. Die Guillaume-Affäre war eher der Auslöser, als die Ursache für den Rücktritt. Als Ursachen gelten der mit der Ölkrise verbundene wirtschaftliche Abschwung und gesundheitliche Probleme Willy Brandts.

Bonn, Tagung SPD Präsidium nach Rücktritt Brandt

Brandt am Tag nach seinem Rücktritt als Bundeskanzler mit seinem Amtsnachfolger Helmut Schmidt (links) bei einer Tagung des SPD-Präsidiums am 8. Mai 1974

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Von Bundesarchiv, B 145 Bild-F042669-0060 / Schaack, Lothar / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, Bild ist entsprechend verlinkt

 

 

Auch nach seinem Rücktritt blieb Willy Brandt politisch aktiv. 1976 wurde er Präsident der Sozialistischen Internationale(bis zum 17. September 1992), ab 1979 war er Mitglied des Europäischen Parlaments(bis zum 01.März 1983).

Willy Brandt
Willy Brandt(1980)
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Von Bundesarchiv, B 145 Bild-F057884-0009 / Engelbert Reineke / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, Bild ist entsprechend verlinkt

 

Am 7. Juli 1979 kamen Brandt und der österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky in Wien mit Jassir Arafat, dem Chef der palästinensischen PLO, zu einem Meinungsaustausch zusammen. Am 15. Oktober 1984 traf Brandt sich auf Kuba mit Staatspräsident Fidel Castro. Im selben Jahr traf Brandt sich auch mit Deng Xiaoping und Michail Gorbatschow. Am 19. September 1985 kam er in Berlin/DDR zu Gesprächen mit dem DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker zusammen.

Bei der Friedensdemonstration in Bonn am 22. Oktober 1983 kritisierte Brandt den NATO-„Doppelbeschluss“.

In den 1980er Jahren erklärte Brandt, ähnlich wie Egon Bahr und andere führende Vertreter der SPD, die Vorstellung einer möglichen neuen staatlichen Einheit in Deutschland mehrfach für abwegig und gefährlich. Noch im Herbst 1988 wiederholte er zweimal seine vielzitierte Mahnung vor der Hoffnung auf Wiedervereinigung“ als Lebenslüge der zweiten Deutschen Republik. Doch das ist wohl nur Rhetorik gewesen, denn Brandt und Bahr arbeiten mit der indirekten Strategie auf die Niederlage des Sozialismus in Osteuropa und die Beseitigung der DDR hin.

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Die indirekte Strategie hat zum Erfolg geführt. Willy Brandt war dabei eine wichtige Figur. Dafür wurde ihm ein Denkmal gesetzt. Willy-Brandt-Denkmal auf dem Dach des Erfurter Hofes (2009)

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Von Michael Sander – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Bild ist entsprechend verlinkt

 

Brandt gehörte weiterhin dem Bundestag an und eröffnete nach der Bundestagswahl 1983 erstmals als Alterspräsident den Bundestag, obwohl er nur der zweitälteste Abgeordnete war. Egon Franke hatte als tatsächlicher Alterspräsident auf diese Würde verzichtet und Brandt den Vortritt bei der Eröffnung gelassen. Nach den Bundestagswahlen 1987 und 1990 eröffnete Brandt den jeweiligen Bundestag als tatsächlicher Alterspräsident.

Nach der Annexion der DDR gehörte Brandt zu den entschiedenen Befürwortern des Regierungsumzuges nach Berlin.

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Unkel, Willy Brandts Wohnhaus(2015)

 

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Von Wolkenkratzer – Eigenes Werk, CC-BY-SA 4.0, Bild ist entsprechend verlinkt

 

 

 

Brandts Gesundheitszustand verschlechterte sich ab August 1992 zusehends. Er starb schließlich am 8. Oktober 1992 um 16:35 Uhr. Am 17. Oktober 1992 gedachte der Bundestag seiner in einem Staatsakt. Das Ehrengrab Willy Brandts befindet sich auf dem Berliner Waldfriedhof Zehlendorf neben dem Ehrengrab von Ernst Reuter, Vorgänger Brandts als Regierender Bürgermeister von Westberlin in den Jahren 1948 bis 1953. Brandts zweite Ehefrau Rut ist ebenfalls auf dem Waldfriedhof beigesetzt.

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Ehrengrab Willy Brandts auf dem Waldfriedhof Zehlendorf

 

Bildquelle: Von OTFW, Berlin – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Bild ist entsprechend verlinkt

 

 

 

 

 

entnommen aus Wikipedia, bearbeitet von Petra Reichel

 

„Stragegy of Peace“

Mit John F. Kennedys „Strategy of Peace“, auf Deutsch der „Strategie des Friedens“ liegt eine der ersten konkret ausgeführten Konzeptionen der indirekten Strategie vor. Das Buch, das 1960 in den USA erschien, ist eine Zusammenstellung von Reden und Schriften Kennedys zu Fragen der Außenpolitik der USA der späten 1950er Jahre.

Ausgangspunkt der Lagenanalyse von John F. Kennedy ist die Feststellung, das die USA an der Schwelle zu den 1960er Jahren über keine den aktuellen Kräfteverhältnissen antisozialistische Strategie verfügten.

„Wir haben keine neuen frischen Ideen. Unsere große Strategie besteht allein im Rüstungswettlauf und im Kalten Krieg.“ John F. Kennedy, Der Weg zum Frieden, Deutsche Buchgemeinschaft Berlin. Darmstadt. Wien; 1961 Seite 341

Damals befand sich die Sowjetunion im Aufschwung. „Es ist an der Zeit, mit dem bloßen Reagieren auf unseres Gegners Schachzüge aufzuhören und zum Handeln überzugehen. Aktion, nicht Reaktion ist uns aufgegeben…“ John F. Kennedy, Der Weg zum Frieden, Deutsche Buchgemeinschaft Berlin. Darmstadt. Wien, 1961, Seite 50

Die Strategie, die Kennedy für notwendig erachtete, um aus der damaligen Position der Defensive herauszukommen war laut seiner Aussage: „ ..im Grunde eine Strategie der bestmöglichen Wahrnehmung aller verbliebenen Vorteile und Ausnutzung aller Schwächen des Gegners – wodurch Zeit und Gelegenheit gewonnen wird, um sich wieder emporzuarbeiten.“ John F. Kennedy, Der Weg zum Frieden, Deutsche Buchgemeinschaft Berlin. Darmstadt. Wien, 1961, Seite 68

Zu den Vorteilen, die dem Westen verblieben waren, gehörte Anfang der sechziger Jahre ein immer noch deutlicher wirtschaftlicher und wissenschaftlich-technischer Vorsprung. Dieser lag in der Konsumgüterproduktion sinnfällig vor Augen.

Auf eine der Anfang der 1960er Jahre feststellbaren „Schwächen des Gegners“, d.h. der Sowjetunion, stellte Kennedy fest:„Eine von ihnen, die Wichtigste von allen, ist die sowjetische Achillesferse – die Schar der Satellitenstaaten. Kongress und Administration müssen die bisherige Politik aufgeben…, jene Politik, die jedwede Flexibilität vermissen ließ und von vornherein jeden Versuch lähmte, die Satelliten nach und nach den Sowjets zu entfremden und neue Keile in jeden Spalt im Eisernen Vorhang zu treiben. Es kann jetzt nicht darum gehen, den roten Block mit unserem Gerede von massiver Vergeltung erst recht zusammenzuschweißen, – im Gegenteil, wir müssen jetzt Mittel suchen, ihn zu sprengen.“ John F. Kennedy, Der Weg zum Frieden, Deutsche Buchgemeinschaft Berlin. Darmstadt. Wien, 1961, Seite 70

Hiermit ist das zentrale Nahziel des Strategieentwurfs von John F. Kennedy benannt. Es geht um die Aufspaltung der verbündeten sozialistischen Staaten. Ausgangspunkt der Strategie von John F. Kennedy ist der sich bereits seit den 1950er Jahren bereits real vollziehende Verfall von Einheit und Solidarität im sozialistischen Lager.

„ Denn die Satellitenstaaten Osteuropas stellen das einzige Gebiet in der Welt dar, auf dem die Sowjetunion sich heute in der Defensive befindet. Sie sind die schwache Stelle in ihrem Eisenpanzer und ein potenzieller Entzündungsherd, von dem aus die Infektion des Unabhängigkeitsstrebens sich im ganzen Organismus ausbreiten könnte, von innen her bewirkend, was der Westen von außen nie zustande brächte.“ John F. Kennedy, Der Weg zum Frieden, Deutsche Buchgemeinschaft Berlin. Darmstadt. Wien, 1961, Seite 137

Der zweite Ausgangspunkt der „Friedensstrategie“ ist die vorläufige Unerschütterlichkeit des internationalen machtpolitischen Status quo. Von den realen damaligen Kräfteverhältnissen ausgehend, ging Kennedy davon aus, „..dass wir nicht erwarten dürfen, dass die Freiheit dort(in Osteuropa) durch eine dramatische, gewaltsame Revolution hergestellt wird.“ John F. Kennedy, Der Weg zum Frieden, Deutsche Buchgemeinschaft Berlin. Darmstadt. Wien, 1961, Seite 26

Zu Kennedys Strategie gehörte die Politik der kleinen Schritte, eine Politik, die sich vorerst nur auf allmähliche und vorsichtige Änderungen in bestimmten Ländern konzentriert. Die westliche Politik müsse die östliche Kompromissbereitschaft bestmöglich auszunutzen suchen, wobei als erforderlich erachtet wurde, dass man die Grenzen der östlichen Kompromissbereitschaft genau beachte.

Die Restauration des Kapitalismus in Osteuropa war nur in einem langwierigen Prozess „friedlicher Wandlung“ zu realisieren. Im Verlaufe dieses Prozesses musste jeder überstürzte Schritt vermieden und die jeweilige Kräftelage berücksichtigt werden. Dabei sei jede Verbesserung der Beziehungen einzelner sozialistischer Staaten zum Westen auszunutzen. Das wesentliche Mittel einer solchen Annäherung sie die Intensivierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und der wissenschaftlich-technischen Kooperation. Mindestens ebenso wichtig sei es Wege zum Eindringen bürgerlicher Ideologie in die sozialistischen Staaten zu finden.

Eine Abkehr der bisherigen Politik forderte Kennedy auch in Bezug auf die Entwicklungsländer Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. Die Beschränkung auf die Unterdrückung der Befreiungsbewegungen in diesen Ländern habe dem Ansehen der USA geschadet und prosozialistische Tendenzen befördert. Auch in diesem Teil der Welt müssten die USA ihre wirtschaftliche und wissenschaftlich-technische Überlegenheit zum Einsatz bringen, um sich dort eine dauerhafte Basis zu schaffen. Kennedy plädierte, wie schon de Gaulle für die konsequente Umstellung der Politik gegenüber den Entwicklungsländern auf neokolonialistische Methoden. Ein wesentliches Anliegen der Konzeption Kennedys war, zu verhindern, dass der Zerfall der Kolonialreiche zu einer realen Selbstständigkeit der Entwicklungsländer gegenüber dem Westen führt.

In die gleiche Richtung zielt die Forderung Kennedys, die Beziehungen zu den neutralen Staaten neu zu gestalten. Die bisherige Außenpolitik der USA habe die neutralen Länder geradezu gedrängt, sich an das sozialistische Lager anzulehnen. Die USA hätten sich durch diese Politik in jenem Teil der Welt selbst isoliert. Dabei stellte Kennedy in Rechnung, dass die neutralen Länder überwiegend auf kapitalistischen Grundlagen handeln und sie daher potenzielle Verbündete im Kampf gegen sozialistische Tendenzen in diesem Teil der Welt waren.

In Anpassung auf die Situation des atomaren Patts forderte Kennedy auch eine Revision der bisherigen Militärpolitik der USA. Insbesondere die Verteidigungsdoktrin der „massiven Vergeltung“ werde den neuen Bedingungen nicht gerecht. Anstatt die Gegenseite abzuschrecken, lähme sie die USA in ihrer Aktionsfähigkeit. Vor allem paralysiere die Konzentration auf nukleare Abschreckung die Fähigkeit regionale Kriege zu führen. (Die USA in ihrer Rolle als Weltgendarm.) Gefordert wurde daher eine neue flexiblere Verteidigungsdoktrin und eine massive Aufrüstung der konventionellen Streitkräfte, da regionale Kriege letztlich mit diesen entschieden würden.

Zugleich ging Kennedy davon aus, dass für die Durchführung der indirekten Strategie eine stabile antisozialistische Einheitsfront unerlässlich ist.

Schließlich forderte Kennedy, dass auch die Innenpolitik der USA als Bestandteil der Systemauseinandersetzung gesehen wird. In Puncto Bildung waren die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Länder den USA voraus. Man befürchtete, dass die Sowjetunion Erfolge im wissenschaftlich-technischen Bereich erzielen würde. So forderte Kennedy in die Bildung zu investieren. Das war bereits beim Sputnik-Schock Thema. Als später die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Länder schwächer wurden, in Rückstand gerieten und das bittere Ende gekommen ist, wurde, was Bildung betrifft, die Förderung des Staates zurückgezogen. Nur noch die sogenannte Elite, also Kinder deren Eltern das Geld dazu haben sie auf eine Privatschule zu schicken, haben die Möglichkeit Bildung zu erlangen.

Am Ende der „Strategie des Friedens“ fasste Kennedy seinen Entwurf zu einem 12-Punkte-Programm zusammen.

Punkt 1 und 2:

„Wir müssen eine unverwundbare nukleare Vergeltungsmacht schaffen“                                       John F. Kennedy, Der Weg zum Frieden, Deutsche Buchgemeinschaft Berlin. Darmstadt. Wien, 1961, Seite 343

und

„..wir müssen die Fähigkeit wiedergewinnen, erfolgreich und schnell in jeden begrenzten Krieg an jedem Punkte der Welt einzugreifen.“                                                                                                      John F. Kennedy, Der Weg zum Frieden, Deutsche Buchgemeinschaft Berlin. Darmstadt. Wien, 1961, Seite 344

Punkt 3:

…..wir müssen ..die NATO wieder zu einer brauchbaren und konsolidierten Militärmacht aufbauen“, d.h. es ist notwendig „zu gegenseitiger Konsultation und Achtung zwischen den USA und den anderen Bündnispartnern“ zurückzukehren.                                                                       John F. Kennedy, Der Weg zum Frieden, Deutsche Buchgemeinschaft Berlin. Darmstadt. Wien, 1961, Seite 344

Punkt 4 , 5 und 6 befasst sich mit der neuen Politik gegenüber den Ländern Asiens, Afrikas und des Mittleren Ostens.

Punkt 8 bezieht sich auf Westberlin: „Wir dürfen keine Unsicherheit in unserem Willen, Berlin zu verteidigen, sichtbar werden lassen“, außerdem sei es nötig, eine langfristige Lösung für die Berlin-Frage zu planen.                                                                                                                    John F. Kennedy, Der Weg zum Frieden, Deutsche Buchgemeinschaft Berlin. Darmstadt. Wien, 1961, Seite 348

Punkt 9 fasst die neue Osteuropa-Politik zusammen.

Punkt 10 befasst sich mit der Neuorientierung der China-Politik.

Punkt 11: „Wir müssen beginnen, neue und anwendbare Pläne für Friedenssicherung und Rüstungsbeschränkung zu entwickeln.“                                                                                                          John F. Kennedy, Der Weg zum Frieden, Deutsche Buchgemeinschaft Berlin. Darmstadt. Wien, 1961, Seite 351

Punkt 12:

„Wir müssen uns dem Aufbau des ‚stärkeren Amerika’ widmen. Wir müssen unsere eigenen Bemühungen auf wissenschaftlichem Gebiet verstärken, nicht nur mittels Intensivierung und Neufassung existierender Forschungsprogramme jeder Art, einschließlich der Raumforschung, sondern auch Fähigkeiten heranzubilden vermag, deren wir für unsere künftige Stärke und unseren künftigen Fortschritt bedürfen.“                                                                                                John F. Kennedy, Der Weg zum Frieden, Deutsche Buchgesellschaft Berlin. Darmstadt. Wien, 1961, Seite 351/352

Soweit Kennedys Überlegungen zu einer neuen Strategie, um der damaligen weiteren Verschiebung des internationalen Kräfteverhältnisses zum Vorteil des Sozialismus entgegenzuwirken und die umgekehrte Entwicklung einzuleiten.

 

Entnommen aus „Antisozialistische Strategien“ von Sahra Wagenknecht

gekürzt und bearbeitet von Petra Reichel

Buchtitel Antisozialistische Strategien

Berlinkrise

Die Berlin-Krise beziehungsweise zweite Berlin-Krise begann am 27. November 1958, als die Sowjetunion unter Nikita S. Chruschtschow eine Note an die drei westlichen Besatzungsmächte Berlins, die USA, Großbritannien und Frankreich, richtete. In der Note wurde angekündigt, dass die Sowjetunion der DDR die Kontrolle über die Verbindungswege zwischen Westdeutschland und Westberlin übertragen werde, wenn nicht innerhalb eines halben Jahres eine alliierte Übereinkunft zustandekommen würde, mit der Berlin in eine Freie Stadt verwandelt würde. Diese Note, die die Berlin-, die Deutschland- und die Abrüstungsthematik verknüpfte, wird als das Chruschtschow-Ultimatum oder auch Berlin-Ultimatum bezeichnet.

Grundlage für diese Note war die Aufkündigung des Viermächtestatus für Berlin und Gesamtdeutschland durch die Sowjetunion.

Zwei Wochen zuvor, am 10. November 1958, hielt Chruschtschow im Moskauer Sportpalast eine Rede, in der es hieß:

„Die Imperialisten haben die deutsche Frage zu einer ständigen Quelle internationaler Spannungen gemacht […]. Man muss offen sagen, dass der Militarismus in Westdeutschland nicht nur nicht beseitigt ist, sondern im Gegenteil sein Haupt immer höher hebt […] Reden von Bundeskanzler Konrad Adenauer und Verteidigungsminister Franz Josef Strauß, die atomare Bewaffnung der Bundeswehr und verschiedene Manöver verweisen auf einen deutlichen politischen Trend der herrschenden Kreise Westdeutschlands […]. Offensichtlich ist die Zeit gekommen, dass die Mächte, die das Potsdamer Abkommen unterzeichneten, auf die Reste des Besatzungsregimes in Berlin verzichten und damit die Möglichkeit geben, eine normale Lage in der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik zu schaffen. Die Sowjetunion ihrerseits wird alle Funktionen in Berlin, die noch sowjetischen Organen obliegen, an die souveräne Deutsche Demokratische Republik übertragen.“
Nikita S. Chruschtschow: Rede am 10. November 1958 im Moskauer Sportpalast

 

In der Note forderte die sowjetische Führung die Umwandlung Westberlins in eine „selbständige politische Einheit“ zu einer so genannten Freien Stadt, die entmilitarisiert sein sollte. Sie bestand auf einem Abzug der Truppen der Westalliierten aus Westberlin und formulierte so die Drei-Staaten-Theorie.

Am 14. Dezember 1958 bekräftigten die Außenminister der drei Westmächte Frankreich, Großbritannien und USA sowie der BRD auf einer Konferenz in Paris ihre Entschlossenheit, ihre Rechte in Berlin zu wahren. Am 16. Dezember 1958 erklärten die Außenminister der NATO-Staaten nochmals die Zugehörigkeit Westberlins zum Schutzbereich des NATO-Bündnisses. Zwei Tage später protestierte auch die Versammlung der Westeuropäischen Union (WEU) in Paris gegen die ultimative Drohung der Sowjetunion in der Berlin-Frage.

Die Regierung der BRD lehnte in einer Note an die Sowjetunion am 5. Januar 1959 die Errichtung einer „Freien Stadt West-Berlin“ und die Anerkennung der DDR sowie eine Konföderation der beiden deutschen Staaten ab. Die Sowjetunion legte daraufhin am 10. Januar einen Entwurf für einen Friedensvertrag mit Deutschland vor. BRD-Außenminister Heinrich von Brentano wies diesen Vorschlag sofort zurück, in dem die 29 Teilnehmerstaaten des Krieges gegen Deutschland sowie die BRD und die DDR aufgefordert wurden, innerhalb von zwei Monaten eine Friedenskonferenz unter deutscher Beteiligung einzuberufen.

Von Mai bis August 1959 kamen die Außenminister der Vier Mächte in Genf zu einer „Deutschlandkonferenz“ zusammen. Delegationen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik nahmen als Beobachter teil. US-Präsident Dwight D. Eisenhower bezeichnete die Respektierung der Rechte und Pflichten der Westmächte in Berlin als Mindestbedingung für seine Teilnahme an einer Gipfelkonferenz mit der Sowjetunion.

 

Am 8. September 1959 benannte Westberlins Regierender Bürgermeister, Willy Brandt (SPD), vier Grundsätze der westdeutschen Berlin-Politik:

  • Berlin (gemeint ist Westberlin) gehört zum freien Teil Deutschlands
  • Das Selbstbestimmungsrecht der Berliner darf nicht geschmälert werden
  • Vier-Mächte-Verantwortung in und für Berlin und
  • Recht auf freien Zugang nach Berlin.

 

Als militärische Reaktion gründeten die westlichen Alliierten die geheime Organisation Live Oak(geheime militärische Organisation der Westalliierten welche die Sicherheit Westberlins gewährleisten sollte.), deren Aufgabe die Planung von Gegenmaßnahmen im Falle neuer sowjetischer Behinderungen auf den Transitwegen war. Sie bestand bis zum 2. Oktober 1990.

Die Sowjetunion stellte ihre Forderungen ein, weil ihr eigentliches Ziel, die Vereinigung Berlins und anschließende Eingliederung in die DDR, als nicht durchführbar betrachtet wurde. Sie drohte nun, dass sie mit der DDR einen separaten Friedensvertrag unterzeichnen und ihr die staatliche Souveränität übertragen würde, falls die Forderungen nicht innerhalb von sechs Monaten erfüllt würden, sodass sie die Kontrolle über alle Verkehrswege nach West-Berlin hätte. Damit sollte versucht werden, die Fluchtbewegung von Ost nach West über Westberlin zu stoppen. Die Reaktion der drei Westmächte und des Regierenden Bürgermeisters Brandt war entschiedene Ablehnung, sodass das Ultimatum nach einem halben Jahr ergebnislos verstrich.

Bei seinem ersten Treffen mit dem neuen US-Präsidenten John F. Kennedy am 3. und 4. Juni 1961 in Wien erneuerte Chruschtschow das Berlin-Ultimatum. Kennedy konterte in einer Rundfunk- und Fernsehansprache am 25. Juli 1961 mit den Three Essentials, den drei unabdingbaren Grundsätzen:

  1. Das unantastbare Recht der Westmächte auf Anwesenheit in ihren jeweiligen Sektoren Westberlins
  2. Das Zugangsrecht der Westmächte zur ehemaligen Reichshauptstadt Berlin
  3. Die Wahrung der Sicherheit und der Rechte der Bürger West-Berlins durch die westlichen Besatzungsmächte

 

Die Three Essentials wurden im Juni 1972 mit dem Inkrafttreten des Viermächteabkommens über Berlin gesichert.

 

Konfrontation sowjetischer und US-amerikanischer Panzer am 27. Oktober 1961
Konfrontation sowjetischer und US-amerikanischer Panzer am 27. Oktober 1961
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Von National Archives – http://nsarchive.chadwyck.com/bcphotox.htm, Gemeinfrei, Bild ist entsprechend verlinkt

 

 

 

Als Folge des Versuchs der SED-Führung, alliierte Rechte der Westmächte in Berlin einzuschränken, standen sich am 27. Oktober 1961 sowjetische und amerikanische Panzer am „Checkpoint Charlie“ gefechtsbereit gegenüber. Heute weiß man, dass die Kommandeure beider Seiten den Befehl hatten, ihre Panzer notfalls einzusetzen. Im November 1961 reagierten die USA auf die neuere Berlin-Krise mit der „Operation Stair Step“. Dabei wurden über 200 Kampfflugzeuge aus den Vereinigten Staaten über Kanada und die Azoren nach Frankreich verlegt und kehrten erst im August 1962 wieder in die USA zurück. Es folgte die Kuba-Krise, und in der Berlin-Krise gab es keine Fortschritte bei der Lösung der gegensätzlichen Positionen. Bis Anfang September 1963 gab es weiterhin Störungen des alliierten Zugangs nach Berlin, allerdings wird heute das Ende der Berlin-Krise mit dem Jahr 1962 angegeben.
Zahlen und Fakten Wikipedia, bearbeitet von Petra Reichel

 

John F. Kennedy

John Fitzgerald „Jack“ Kennedy, geboren am 29. Mai 1917 in Brookline, Massachusetts; ermordet am 22. November 1963 in Dallas, Texas), häufig auch bei seinen Initialen JFK genannt, war von 1961 bis 1963 der 35. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.

John F. Kennedy (1963)
John F. Kennedy (1963)

 

Bildquelle:Von Cecil Stoughton, White House – This media is available in the holdings of the National Archives and Records Administration, cataloged under the ARC Identifier (National Archives Identifier) 194255.Diese Markierung zeigt nicht den Urheberrechts-Status des anhängenden Werks an. Es ist in jedem Falle zusätzlich eine normale Lizenz-Vorlage erforderlich. Siehe Commons:Lizenzen für weitere Informationen.English | Español | Français | Italiano | Македонски | മലയാളം | Nederlands | Polski | Português | Русский | Slovenščina | Türkçe | Українська | Tiếng Việt | 中文(简体) | 中文(繁體) | +/−http://www.jfklibrary.org/Asset+Tree/Asset+Viewers/Image+Asset+Viewer.htm?guid={B9C835C6-2EF1-4C3F-A600-B4BE064F1A20}&type=Image, Gemeinfrei, Bild ist entsprechend verlinkt

 

In seine Amtszeit während der Hochphase des Kalten Krieges fielen historische Ereignisse wie die Kubakrise, die Errichtung des Antifaschistischen Schutzwalls, der Beginn der bemannten Raumfahrt, der Vietnamkrieg sowie die Zeit des zivilen Ungehorsams der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung.
Kennedy war Mitglied der Demokratischen Partei und der erste US-Präsident römisch-katholischer Konfession. Wegen seiner Jugend und seines Charismas verkörperte er für viele die Hoffnung auf eine Erneuerung der USA. Die Hintergründe seiner Ermordung 1963 sind bis heute umstritten.

Dieser Beitrag befasst sich mit der Präsidentschaft und Akteur des Kalten Kriegs von John F. Kennedy. Wer sich für das weitere Leben von John F. Kennedy interessiert, kann z.B. bei Wikipedia nachschlagen.

US-Briefmarke nach einem Entwurf von Raymond Loewy
US-Briefmarek nach einem Entwurf von Raymond Loewy

 

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Von Bureau of Engraving and Printing – U.S. Post Office, Gemeinfrei, Bild ist entsprechend verlinkt
Halbdollar-Münze (1968) mit dem Profil Kennedys
Halbdollar-Münze(1968) mit dem Profil Kennedys
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Von Richard Huber – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Bild ist entsprechend verlinkt

 

Kennedy wurde am 20. Januar 1961 in das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten eingeführt. Bei seiner Antrittsrede forderte er die Amerikaner in einer vielzitierten Wendung auf:

„Ask not what your country can do for you — ask what you can do for your country“ („Fragen Sie nicht, was Ihr Land für Sie tun kann – fragen Sie, was Sie für Ihr Land tun können“).

Dieser Spruch ist heute noch sehr bekannt.

Amtseinführung Kennedys (1961)
Amtseinführung Kennedys (1961)

 

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In die nur 1.036 Tage, die er das Amt ausübte, fielen einschneidende außenpolitische Ereignisse: das Scheitern der Invasion Kubas in der Schweinebucht, der Vietnamkrieg, die Errichtung des Antifaschistischen Schutzwalls im August 1961, die Kubakrise im Oktober 1962 um die Stationierung von sowjetischen Atomraketen in der westlichen Hemisphäre ( Monroe-Doktrin) und die Ankündigung der Mondlandung noch vor 1970.
Engster Berater war sein Bruder Robert, den er zum Justizminister in seinem Kabinett machte. Diese Form der Ämtervergabe an Familienmitglieder wurde später in den USA gesetzlich verboten. Kennedy ernannte keinen Stabschef, sodass sich keiner im innersten Kreis als Chef fühlen konnte. Das Team Kennedys im West Wing(Westflügel- Im Westflügel des Weißen Hauses waren die offiziellen Büros der US-Präsidenten untergebracht) des Weißen Hauses umfasste fast nur Personen, die schon länger für ihn gearbeitet hatten.

 

Einige Punkte der Innenpolitik während der Amtszeit von John F. Kennedy:

Innenpolitisch bemühte sich Kennedy um Reformen. Bereits im Wahlkampf 1960 verkündete er das Regierungsprogramm der New Frontier: Nach dem Vorbild der amerikanischen Siedler gelte es, Neues Grenzland zu erobern. Es werde in seiner Präsidentschaft um die unerfüllten Hoffnungen und Träume gehen, die ungelösten Probleme von Krieg und Frieden, die ungeordneten Nischen von Ignoranz und Vorurteil sowie die unbeantworteten Fragen von Armut und Überfluss. Jedoch gelang es Kennedy lediglich, ein Drittel seiner Gesetzesinitiativen durch den Kongress zu bringen. Die allermeisten seiner Reformambitionen wurden erst von seinem Nachfolger Lyndon B. Johnson im Rahmen des Reformprogramms der Great Society(sozialpolitisches Programm seinerzeit in den USA) umgesetzt.

Kennedy sprach oft vom Frieden, doch er führte die seinerzeit größte Aufrüstung der USA in Friedenszeiten durch.

1962 sandte Kennedy Militäreinheiten an die University of Mississippi, damit sich der schwarze Student James Meredith dort immatrikulieren konnte. 1963 gab Mississippi als letzter US-Bundesstaat die Rassentrennung im Bildungssystem auf und erlaubte die Integration. Während des Stand in the Schoolhouse Door befahl Kennedy der Nationalgarde am 11. Juni 1963, Gouverneur George Wallace daran zu hindern, die University of Alabama weiterhin für afroamerikanische Studenten zu sperren. Am gleichen Abend hielt er eine Fernsehansprache zu den Bürgerrechten, deren Ideen die Grundlage des Civil Rights Act von 1964 bildeten. Kennedys Sicherheitsbedenken hinsichtlich des Marsches auf Washington für Arbeit und Freiheit bewahrheiteten sich nicht und er empfing die Redner am 28. August 1963 nach der Veranstaltung im Weißen Haus.

 

Kennedy (Mitte rechts) mit Vertretern der Bürgerrechtsbewegung im Oval Office, August 1963
Kennedy (Mitte rechts) mit Vertretern der Bürgerrechtsbewegung im Oval Office, August 1963

 

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Von Leffler, Warren K., photographer – Dieses Bild ist unter der digitalen ID ds.04413 in der Abteilung für Drucke und Fotografien der US-amerikanischen Library of Congress abrufbar.Diese Markierung zeigt nicht den Urheberrechtsstatus des zugehörigen Werks an. Es ist in jedem Falle zusätzlich eine normale Lizenzvorlage erforderlich. Siehe Commons:Lizenzen für weitere Informationen.العربية | čeština | Deutsch | English | español | فارسی | suomi | français | magyar | italiano | македонски | മലയാളം | Nederlands | polski | português | русский | slovenčina | slovenščina | Türkçe | українська | 中文 | 中文(简体) | 中文(繁體) | +/−, Gemeinfrei, Bild ist entsprechend verlinkt

 

Kennedy befasste sich nach seiner Wahl auf Druck unterschiedlicher Bürgerrechtsbewegungen und auf Drängen von Prominenten wie Eleanor Roosevelt und Johnny Cash mit dem Bau des Kinzua-Staudamms. Diese hatten sich von dem Wechsel im Weißen Haus eine politische Änderung in dieser Sache erhofft. Letztendlich sah er keine Möglichkeit, den Bau zu stoppen, so dass die letzten in Pennsylvania lebenden Seneca umgesiedelt werden mussten. Hinzu kam, dass Gouverneur David Leo Lawrence, der Kennedy zum Sieg verholfen hatte, ein großer Befürworter des Staudamms war.

Am 5. Mai 1961 unterzeichnete Kennedy eine Erweiterung des Fair Labor Standards Act von 1938. Damit erhöhte sich der Mindeststundenlohn innerhalb von zwei Jahren auf 1,25 US-Dollar. Zudem wurde der Geltungsbereich für den Mindestlohn vergrößert, so dass 3,6 Millionen Arbeiter zusätzlich in diesen Sektor fielen. Bereits am 17. Februar 1959 hatte er noch als Senator und Vorsitzender des Subcommitee on Labor mit der Unterstützung der American Federation of Labor and Congress of Industrial Organizations einen nahezu identischen Gesetzesvorschlag unterbreitet, der von James Roosevelt am gleichen Tag dem Repräsentantenhaus vorgelegt wurde.
Die Wohnverhältnisse wurden verbessert und das Arbeitslosengeld wurde erhöht.

 

Wichtige außenpolitische Ereignisse während der Amtszeit John F. Kennedys:

Kuba:

Die USA waren besorgt, dass das Revolutionäre Kuba Einfluss auf andere Staaten in Südamerika ausüben könnte. US-Präsident John F. Kennedy reagierte mit der sogenannten Alliance für Progress(Allianz für Fortschritt).
(war ein Abkommen zur ökonomischen Zusammenarbeit zwischen Nord- und Südamerika, das 1961 vom damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy initiiert wurde. Ziel der Vereinbarung war es, vor dem Hintergrund der Kubanischen Revolution eine Zusammenarbeit weiterer Länder Latein- und Südamerikas mit der Sowjetunion zu verhindern.)

Außerdem unterstützte Kennedy die durch die CIA initiierte Invasion von Exilkubanern in der Schweinebucht. Diese Aktion gegen Kuba scheiterte.
Zehn Tage später erteilte Kennedy in einer öffentlichen Ansprache allen Geheimoperationen eine Absage, bekräftigte aber die antikommunistische Ausrichtung seiner Regierung.

Der Beschluss der Sowjetunion, auf Kuba atomare Waffen zu stationieren, löste 1962 die Kubakrise aus, als Kennedy in einer Fernsehansprache am 22. Oktober mit einem Atomkrieg drohte, sollten die Raketen nicht wieder abgezogen werden.

 

Berlinkrise:

John F. Kennedy musste sich mit der Berlin-Krise auseinandersetzen, die der sowjetische Staats- und Parteichef Nikita Chruschtschow 1958 mit seinem Chruschtschow-Ultimatum ausgelöst hatte.Die Berlin-Krise beziehungsweise zweite Berlin-Krise begann am 27. November 1958, als die Sowjetunion unter Nikita S. Chruschtschow eine Note an die drei westlichen Besatzungsmächte Berlins, die USA, Großbritannien und Frankreich, richtete. In der Note wurde angekündigt, dass die Sowjetunion der DDR die Kontrolle über die Verbindungswege zwischen Westdeutschland und Westberlin übertragen werde, wenn nicht innerhalb eines halben Jahres eine alliierte Übereinkunft zustandekommen würde, mit der Berlin in eine Freie Stadt verwandelt würde. Diese Note, die die Berlin-, die Deutschland- und die Abrüstungsthematik verknüpfte, wird als das Chruschtschow-Ultimatum oder auch Berlin-Ultimatum bezeichnet.
siehe Wikipedia.

Kennedys persönliches Treffen mit Chruschtschow am 3. Juni 1961 in Wien brachte immerhin eine atmosphärische Auflockerung, auch wenn dieser inhaltlich auf seinem Ultimatum beharrte. Am 25. Juli 1961 deutete Kennedy in einer Fernsehansprache einen Ausweg aus der verfahrenen Situation an: Die drei essentials, die er nannte, klangen zwar wenig kompromissbereit: a) das Recht auf Anwesenheit amerikanischer Truppen in Berlin, b) das Recht auf Zugang dorthin und c) das Recht der West-Berliner auf Selbstbestimmung und die freie Wahl ihrer Lebensform. Indem sie sich aber nicht auf die Bewegungsfreiheit der DDR-Bürger bezogen, wurde Moskau Bewegungsfreiheit signalisiert. Kennedy schickte am 25. und 26. Juli 1961 den ehemaligen Hohen Kommissar John Jay McCloy zu Chruschtschow in dessen Sommerfrische nach Sotschi und ließ ihn ausrichten, dass die Vereinigten Staaten gegen einseitige sowjetische Maßnahmen im Ostsektor Berlins allenfalls protestieren, ihnen aber sonst nichts entgegensetzen würden.

Auf die Errichtung des Antifaschistischen Schutzwalls reagierte Kennedy daher erleichtert. Nach außen aber zeigte er Empörung: Zum 15. Jahrestag der Berliner Luftbrücke am 26. Juni 1963 besuchte er als erster Präsident der USA Westberlin. Begleitet wurde Kennedy von Außenminister Dean Rusk und General Lucius D. Clay. Am Rathaus Schöneberg hielt Kennedy vor rund 1,5 Millionen Menschen eine scharf antikommunistische Rede, in der er alle, die noch ein gutes Haar am Kommunismus ließen, nach Berlin einlud. An der Seite des damaligen Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt sagte er seinen berühmten Satz: „Ich bin ein Berliner“. Kennedy sagte auch zukünftig der Stadt und der BRD die Unterstützung der USA als alliierte Schutzmacht zu.

Politik gegenüber der Sowjetunion:

Der damals neu gewählte John F. Kennedy traf sich am 3. und 4. Juni 1961 mit dem sowjetischen Staats- und Parteichef Chruschtschow in Wien, der Hauptstadt der damals offiziell neutralen Republik Österreich. Auf der Tagesordnung standen Gespräche über Abrüstung, die aber ergebnislos blieben. Am Ende der Gespräche schlug Chruschtschow im so genannten Berlin-Memorandum vor, Westberlin zu demilitarisieren und in eine neutrale Stadt umzuwandeln.

Vor allem im Anschluss an die Kubakrise begann Kennedy seine Entspannungspolitik. Die USA und die Sowjetunion installierten das Rote Telefon, das in Wirklichkeit eine direkte Telex-Verbindung zwischen Moskau und Washington, D.C. darstellte, um zukünftig beiden Regierungen in Krisensituationen eine schnellere Kommunikation zu ermöglichen und so einen Atomkrieg zu verhindern.
1963 einigte sich Kennedy mit der Sowjetunion und Großbritannien auf ein Atomteststoppabkommen, das in einem der ersten Schritte Atomtests in der Atmosphäre untersagte und damit die atomare Verseuchung der Lufthülle der Erde stoppte. unterirdische Versuche blieben zugelassen.

Kennedys Rolle im Vietnamkrieg:

Kennedy verstärkte zunächst das militärische Engagement der USA in Vietnam, indem er die Militärhilfe für Südvietnam steigerte und die Zahl der als „Militärberater“ nach Südvietnam entsandten US-Soldaten von gut 700 auf über 16.000 erhöhte. Zudem beorderte er Hubschrauber, gepanzerte Fahrzeuge, Kampfbomber und Artillerie nach Vietnam und stimmte Ende 1961 dem Einsatz von Napalm und Entlaubungsmitteln zu. Er regte auch die Bildung einer Elite-Einheit an, die den Vietkong bekämpfen sollte, die United States Army Special Forces Command (Airborne), die wegen ihrer Kopfbedeckung bald den Spitznamen „Green Berets“ erhielt. Hinter Kennedys Engagement in Vietnam stand die auch von ihm geteilte Domino-Theorie, wonach ein Erfolg der Kommunisten in Vietnam zur Folge habe, dass weitere Staaten der Region für die „freie Welt“ verloren seien.

Kennedys Äußerungen zum Vietnamkrieg sind widersprüchlich. In einem Interview vom September 1963 äußerte er, es sei der Krieg der Vietnamesen. Die USA könnten hierfür militärische Ausrüstung liefern und ihre Leute als Berater entsenden, aber den Krieg gegen die Kommunisten gewinnen müsse das vietnamesische Volk. Zugleich widersprach er Forderungen nach einem Rückzug der USA aus Vietnam, der ein großer Fehler wäre.

Ob Kennedy die unter Johnson erfolgte Eskalation des Krieges und direkte Kriegsführung der US-Streitkräfte in Vietnam tatsächlich vermieden hätte, ist unter Historikern und ehemaligen Mitarbeitern beider Präsidenten umstritten. Der Kennedy-Biograph Alan Posener ist überzeugt, dass die Verstrickung der USA in den Krieg „Kennedys Vermächtnis“ sei; dass er, hätte er länger gelebt, sich nicht in den Krieg hätte ziehen lassen, sei eine „Legende“. Der Historiker Stephen G. Rabe glaubt, Kennedy hätte 1964/65 vor derselben Krise gestanden, vor der Johnson stand: Entweder die Kommunisten würden den Krieg gewinnen oder die Vereinigten Staaten würden massiv intervenieren, um sie zu stoppen. Daher habe Johnson Grund zu der Annahme gehabt, mit seiner Politik gegenüber Vietnam in der Kontinuität seines Vorgängers zu stehen.Der ehemalige Nachrichtenoffizier John M. Newman argumentiert dagegen, Kennedy hätte nie amerikanische Kampftruppen in Vietnam stationiert; hätte er weitergelebt, wären die Militärberater bis 1965 abgezogen worden. Kennedy-Biograph Robert Dallek glaubt, dass Kennedy einen militärischen Sieg der US-Truppen in Vietnam letztlich für unmöglich hielt – eine Haltung, die er schon in den 1950er-Jahren als Senator vertreten habe – und deshalb den Abzug favorisierte. Larry Sabato schließlich argumentiert, dass Kennedy in seiner kurzen Amtszeit keine konsistente Strategie für Vietnam entwickelt habe und gerade in seinen letzten Wochen über eine Neufassung der amerikanischen Politik in Südostasien nachdachte. Dass er als erfahrener Außenpolitiker so ungeschickt in das Desaster des Vietnamkriegs hineingestolpert wäre wie der Innenpolitiker Johnson, sei nicht gut vorstellbar.

Nun ja, „wenn“ und „hätte“ist der Biografen und Historiker ihre Spekulation, wie wir sie auch bei anderen historischen Ereignissen wiederfinden.

Grab von John F. Kennedy mit der ewigen Flamme
Grab von John F. Kennedy mit der ewigen Flamme
Bildquelle:Von User Morn – http://en.wikipedia.org/wiki/Image:JFK_grave.jpg, CC BY-SA 3.0, Bild ist entsprechend verlinkt

 

Kennedys offizielles Porträt im Weißen Haus
Kennedys offizielles Porträt im Weißen Haus
Bildquelle:Von Aaron Shikler – The White House Historical Association, Gemeinfrei, Bild ist entsprechend verlinkt

 

entnommen Wikipedia, bearbeitet von Petra Reichel

Sputnikschock

Sputnik 1 (russisch Спутник für Weggefährte Begleiter, Trabant (der Erde)) war der erste künstliche Erdsatellit. Mit ihm begann am 4. Oktober 1957 das Zeitalter der Raumfahrt.

Der Satellit war zwar von der Sowjetunion für den Verlauf des Internationalen Geophysikalischen Jahres (IGY 1957–58) angekündigt worden, doch rechnete die westliche Fachwelt erst Mitte 1958 mit der Fertigstellung der sowjetischen Entwicklungen und wurde durch den Start überrascht. Auch in der westlichen Öffentlichkeit löste der Start Besorgnisse aus; diese wurden mit dem Begriff Sputnikschock benannt.

Sowjetische Briefmarke zeigt die erste Erdumkreisung durch Sputnik
Sowjetische Briefmarke zeigt erste Erdumkreisung durch Sputnik
Bildquelle:Gemeinfrei, Bild ist entsprechend verlinkt

 

Der erfolgreiche Start am 4. Oktober 1957 um 19:28:34 GMT (5. Oktober Ortszeit) von einer großen Startrampe in Baikonur (Kasachische SSR) überraschte daher alle Welt. Die Trägerrakete Sputnik des Satelliten war eine Weiterentwicklung militärischer Interkontinentalraketen durch den Konstrukteur Sergei Pawlowitsch Koroljow.
Die Leistungsfähigkeit sowjetischer Raketen war für die Militärs der westlichen Welt ein zusätzlicher Grund zur Sorge. Das politische Klima zwischen den Großmächten USA und UdSSR hatte sich in den Vorjahren verschlechtert. Bis zum Ende des Kalten Krieges 1989 wurde massiv in Waffen investiert – Verteidigungswaffen, Angriffswaffen und Massenvernichtungswaffen.

Die Tatsache des ersten Sputnik-Starts machte aller Welt klar, dass die Sowjetunion nun in der Lage war, mit ihren Raketen nicht nur den Weltraum zu erreichen, sondern auch jeden Punkt auf der Erde. Dies löste in Teilen der westlichen Welt ein Gefühl der Bedrohung aus, weil die sowjetischen Interkontinentalraketen jenen der USA offenbar überlegen waren.

Der Präsident der USA, Dwight D. Eisenhower erneuerte als Folge des Sputnikschocks das amerikanische Bildungssystem. Auch Westeuropa profitierte davon. So war es z.B. in der alten BRD nicht das Verdienst der Sozialdemokratie, dass nun auch Arbeiterkinder(sogenannte bildungsferne Schichten) die Möglichkeit erhielten höhere Bildung zu erlangen, obwohl dies bis heute immer wieder behauptet wird. Diese Entwicklung war wieder rückläufig, als die Sowjetunion und ihre Verbündeten technisch in Rückstand gerieten. Da heutzutage der Kapitalismus wieder die Weltherrschaft inne hat, bleibt die Bildung wieder nur einer elitären Schicht vorbehalten. (Siehe das Interview mit Georg Schramm.)

Eine militärische Bedrohung nahm der republikanische Exgeneral nicht weiter ernst, was sein Wahlkampfgegner und Nachfolger John F. Kennedy ausnutzte, der eine angebliche Raketenlücke als Wahlkampfthema verwendete. Von nun an nahm man immer wieder eine irgendeine angebliche Lücke als Vorwand, um weiterhin aufzurüsten.

siehe auch Wikipedia:

  1. Sputnik 1
  2. Sputnikschock